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Herzensstürme - Roman

Titel: Herzensstürme - Roman
Autoren: Heyne
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Kapitel 1
    Ein Dorf bei Nottingham im August 1305
    Mit einem bösen Fluch fuhr der Schmied aus dem Schlaf und blinzelte in die dämmrige Werkstatt. Draußen schlug jemand mit der Faust gegen die Tür, dass es dröhnte. Einmal, zweimal …
    »Aufwachen, ihr Schlafmützen. Hier ist ein Kunde!«
    »Ich komme …«
    Die Stimme des Mannes draußen war kräftig und klang, als sei er gewohnt, Befehle zu geben, da hieß es, sich zu sputen, die hohen Herrschaften warteten nicht gern. Der Schmied erhob sich schlaftrunken von seinem Lager und stieß dabei mit dem Kopf gegen einen hölzernen Eimer, den der Geselle, dieser hirnverbrannte Schwachkopf, an einem Wandhaken aufgehängt hatte. Der Eimer fiel polternd zu Boden, drüben auf der anderen Seite der noch glimmenden Feuerstelle regte es sich.
    »Was ist?«, murmelte der Geselle, noch halb im Schlummer.
    »Du hast wirklich nur Stroh in deinem Schädel«, fluchte der Schmied. »Mach die Tür auf - Kundschaft!«
    Der Geselle hustete - die Schmiede war voller Rauch, der auch während der Nacht kaum abzog. Außerdem hatte man bis weit nach Mitternacht am Amboss gestanden, um einen Helm zu fertigen, eine eilige Bestellung.
    Zwei donnernde Schläge gegen die Tür machten deutlich, dass der Kunde jetzt ungehalten war, der Schmiedegeselle schob den Riegel auf und verzog
sich dann vorsichtshalber auf die Seite. Es gab Herrschaften, die einen von seiner Sorte gleich mit einem saftigen Fußtritt empfingen.
    Draußen hatte es das fahle Morgenlicht schwer, durch die grauen Regenwolken zu dringen. Es nieselte, vom Dach der Schmiede rannen dicke Tropfen, die sich im Hof zu Pfützen sammelten. Der Kunde war ein groß gewachsener, sehniger Bursche, der kurze, dunkle Bart ließ nur wenig von seinem Gesicht erkennen, doch er schien noch keine dreißig zu sein. Er führte einen braunen Hengst am Zügel, ein Tier, für das der Schmied gern seine halbe Werkstatt gegeben hätte und den Gesellen als Dreingabe. Ganz offensichtlich fehlte dem Tier vorn rechts das Hufeisen.
    »Ihr seid früh unterwegs, Herr«, meinte der Schmied mit untertäniger Freundlichkeit. »Welch ein herrliches Pferd!«
    »Mach zu - ich bin in Eile«, knurrte der Mann.
    »Gewiss, gewiss.«
    Der Geselle bekam jetzt doch seinen Tritt, nicht von dem Kunden, aber von seinem Meister. Natürlich war es seine Schuld, dass das Feuer nahe am Erlöschen war. Während der Meister ein passendes Eisen heraussuchte, schleppte der Geselle Holz herbei und betätigte dann den Blasebalg.
    Der Kunde war nicht gerade redselig, er setzte sich auf die Bank, wo er unter dem überhängenden Dach der Schmiede vor dem Nieselregen geschützt war, und sah der Arbeit mit halbgesenkten Lidern zu.
    »Wollt Ihr hinüber nach Nottingham?«, fragte der Schmied, als das Eisen schon im Feuer lag.
    »Weiter nach Süden runter«, murmelte der Mann. »Nach London.«
    Der Geselle schleppte Wasser herbei und warf im
Vorübergehen neugierige Blicke auf den Kunden. Der war ohne Zweifel ein Ritter, denn er trug Gürtel und Schwert, dazu Sporen an den Stiefeln. Allerdings hatte er weder Kettenhemd noch Helm, auch sonst keine Wehr am Körper, nur das lange Reiterkleid und hohe Stiefel, die ein verdammt guter Schuster gemacht haben musste, denn sie passten sich genau der Form seiner Waden an.
    Die Hammerschläge klangen hell durch die Morgenluft, der Schmied arbeitete mit großer Anstrengung, denn er hatte den Beutel am Gürtel des Kunden gesehen und wusste, dass für gute Arbeit auch gerechter Lohn fällig war.
    »Der muss die Nacht durchgeritten sein«, raunte der Geselle seinem Meister zu. »Das Pferd ist todmüde und völlig verdreckt.«
    »Was geht’s uns an?«, knurrte der Schmied. »Die Hauptsache ist, dass er zahlt.«
    »Er selber ist auch völlig erschöpft - ich glaube, er schläft.«
    »Halts Maul und hilf mir, das Eisen anzupassen!«, wies ihn der Meister zurecht.
    Tatsächlich hatte der Ritter die Arme vor der Brust verschränkt und den Rücken gegen die Hausmauer gelehnt. Waren seine Augen geschlossen? Es war im schwachen Morgenlicht schwer zu sehen, aber es schien dem Schmied, als seien die Lider noch einen winzigen Spaltbreit geöffnet. Allerdings machte der Mann keine Miene, sein Pferd zu halten, während der Huf mit dem Messer gerichtet wurde, auch als der Schmied das noch warme Eisen zischend und rauchend an den Huf presste, schien der Ritter darauf zu vertrauen, dass sein Tier dabei nicht scheute. Er hatte Recht, das Pferd ließ alles ruhig mit sich
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