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Herzensstürme - Roman

Titel: Herzensstürme - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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fettes Doppelkinn schmiegte … Ein Barde musste bunt und auffällig gekleidet sein, das gebot die Zunft. Auch Brianna trug bei ihrem Auftritt ein Obergewand, das aus vielen farbigen Flicken zusammengenäht war, und seit sie weibliche Formen entwickelt hatte, bestand Logan darauf, dass sie es über der Brust schnürte. Einmal, als sie auf einer Burg im Süden des Landes auftraten, hatte er ihr sogar die Spange fortgenommen, die den Halsausschnitt des Kleides zusammenhielt, und sie hatte sich in dieser Nacht im Schafsstall auf der Vorburg verkriechen müssen, um den betrunkenen Rittern zu entkommen.
    »Hör zu, Brianna!«, ließ sich Logan jetzt vernehmen, da er angekleidet und geschmückt war. »Lass dir nur nicht einfallen, wieder einmal meine Lieder zu verschandeln! Singe jeden Ton und jedes Wort so, wie ich es dich gelehrt habe.«
    Sie schwieg und starrte verbissen auf die dunkle Silhouette der Burg, die nun langsam eine Ummauerung und kleine Gebäude zu Füßen des Wohnturms erkennen ließ. Brianna hatte schon als Kind Melodien erfunden, hatte Logans einfältige Weisen durch ihre Improvisationen ausgeschmückt, oft auch eigene Lieder vorgetragen, für die sie stets viel Beifall erhielt. Doch der alte Barde war eifersüchtig, er wollte nicht zugeben, dass Briannas Weisen so viel kunstvoller waren als seine eigenen.
    »Hast du mich verstanden?«, herrschte er sie an und packte sie grob am Arm. »Niemand will diesen Singsang hören, von dem einem die Ohren klingeln. Tanzen sollst du, meine Hübsche. Biegsam in der Körpermitte sein und so hohe Sprünge machen, dass dein Gewand flattert und die Männer etwas zu sehen bekommen.«

    Er wartete ihre Antwort nicht ab, sondern nahm einen weiteren, langen Zug aus seinem Trinkschlauch in der Hoffnung, den Inhalt bald auffüllen zu können. Wenn alles gut lief, würde man vielleicht einige Tage auf der Burg verweilen können, sich satt essen und vor allem das Bier und den Schnaps des Burgherrn kosten. Da würde er schon bei passender Gelegenheit einen kleinen Vorrat abzwacken, ohne dass diese Geizhälse ihn dabei ertappten.
    Briannas Herz war schwer, als sie endlich vor dem breiten, eisenbeschlagenen Mauertor anhielten. Immer wieder hatte sie sich gesagt, dass sie Logan Dankbarkeit schuldete und hatte sich ihrer Abneigung gegen den Alten geschämt. Doch seine letzten Worte hatten ihr erneut bestätigt, dass sie für ihn nicht viel mehr war als ein Tanzbär, wie die Bärenführer sie auf den Märkten herumzeigten. Logan befahl, und sie hatte zu gehorchen, er war es, der alle Geschenke an sich nahm, die schönen Dinge verkaufte, die Münzen, die man ihnen auf den Märkten zuwarf, in Schnaps umsetzte, so dass sie oft kaum etwas zu essen hatten. Während sie vor dem Burgtor warteten und Logan mit schmeichelnder Stimme sein Anliegen vortrug, erfasste sie aufs Neue der Widerwillen gegen diesen Menschen, der jetzt ganz schamlos ihre Schönheit anpries, ihr langes blondes Haar, ihren biegsamen Leib, ihre runden, hochsitzenden Brüste. Von ihrer Kunstfertigkeit auf den Instrumenten und den schönen Weisen, die sie erdacht hatte, redete er niemals.
    Weshalb bleibe ich bei ihm, dachte Brianna verzweifelt. Allein könnte ich viel mehr verdienen, und ich brauchte mich nicht herumkommandieren zu lassen. Aber es war nicht ungefährlich, allein als Bardin
durch das Land zu ziehen, denn die Spielleute waren vogelfrei, jeder Landstreicher konnte ungestraft über eine Bardin herfallen, von den übermütigen Rittern auf den Burgen gar nicht zu reden. Wenn Logan auch ein haltloser Säufer war, so hatte allein seine Gegenwart sie bisher vor solchen Übergriffen beschützt.
    Dumpfe Schläge waren zu hören, drinnen im Burghof wurde der schwere Balken gehoben, der das Tor verbarrikadierte, knarrend öffneten sich die Torflügel.
    »Na also«, murmelte Logan zufrieden. »Das Schwierigste wäre geschafft. Nimm das Tuch herunter und lass dein langes Haar sehen, meine Hübsche, sie sollen wissen, dass ich nicht zu viel versprochen habe.«
    Das erschöpfte Pferdchen stolperte ein paarmal, denn der Innenhof der Burg war mit rauen, unregelmäßigen Steinen gepflastert. Ein Rudel gelbschwarzer Hunde stürzte sich kläffend auf die Neuankömmlinge, aus den niedrigen, strohgedeckten Häuschen liefen Mägde und ein paar schmutzige Kinder herbei und umringten den Karren. Brianna sah an dem viereckigen, gemauerten Wohnturm empor, dessen Fenster schmal wie Schießscharten waren - ganz sicher wurden sie auch von

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