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Der Aufstand Der Ungenießbaren

Der Aufstand Der Ungenießbaren

Titel: Der Aufstand Der Ungenießbaren
Autoren: Edo Popovic
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derselben Sprache sagte der Polizist den vier hungrigen Männern, denen das Recht auf Arbeit verwehrt war, sie mögen doch arbeiten gehen, wobei er grinste. Diese vier hatten keine Probleme mit der Freiheit und der Würde. Niemand außer ihnen selbst konnte ihnen beides geben oder nehmen. Das war ihnen völlig klar. Und dass die Freiheit und die Würde in der Verfassung erwähnt wurden, das war bloß das Gelaber der verlogenen und korrupten Idioten, die davon überhaupt keine Ahnung hatten. Der Mensch kann würdevoll sein, auch wenn er hungrig und in Lumpen, mit schmutzigen Fingernägeln und verfetteten Haaren lebt, auch jemand, der lebenslänglich bekommen hat, kann frei sein. Würde hat nichts mit manikürten Fingernägeln, einem sauberen Hemd und einem dicken Bankkonto zu tun.
    Geht arbeiten!, sagte der Polizist zu Vida und drei seiner Genossen, die hierhergekommen waren, um Nahrungsmittel aus den Müllcontainern im Hinterhof des Itex-Supermarkts zu klauben.
    Hier hindert er Hungrige daran, sich Nahrung zu nehmen, dort schützt er die Gerichtsvollzieher, wieder anderswo schießt er Tränengas auf Demonstranten, all das sind die verschiedenen Gesichter ein und desselben menschlichen Gesetzes. Vida taxierte den Polizisten. Dieser stand leicht breitbeinig mitten auf dem Hof, seiner selbst völlig sicher, sein Schatten fiel auf eine Motorölpfütze und auf eine zertretene Bierdose. Vida schien es, als wäre sein Schatten stärker als sein Körper.
    Weißt du, dass es Menschen gibt, deren Schatten stärker sind als ihre Körper, sagte Joki ć , während er zusah, wie Vida seine Sachen zusammenpackte, und dass ihr Körper dem Schatten folgt und nicht der Schatten dem Körper?
    Was hast du denn geraucht?, erwiderte Vida, ich habe hier noch kein Tollkraut gesehen.
    Er stopfte seinen Schlafsack, den Stoffbeutel mit der Gaskartusche und dem Geschirr und schließlich die Plastiktüte mit seiner Kleidung in den Rucksack. Die Tüte mit der Kaffeedose, mit dem Rest der Nudeln und den Fertigsuppen überließ er Joki ć . Er überließ ihm auch seine Pistole mit einer Packung Munition.
    Das wirst du brauchen können, sagte er, als er ihm die Sachen hinhielt.
    Was soll ich damit?
    Schieß auf die Wolken.
    Nein, das wäre wirklich eine Sünde.
    Dann behalt sie für den nächsten Krieg.
    Es klingt jetzt blöd, sagte Joki ć , aber ich glaube, du wirst mir fehlen.
    Fang bloß nicht an zu heulen, sagte Vida. Wo hast du das mit dem Schatten her?
    Ach, ich habe mich an eine alte Geschichte aus dieser Gegend erinnert. Hier erschreckt man die Kinder mit Geschichten von Menschen, die von ihren eigenen Schatten beherrscht werden.
    Erzählst du deinem Sohn auch solche Geschichten?
    Nicht unbedingt, ich will ihn nicht erschrecken. Ich erzähle ihm lieber Geschichten, die ihm Mut machen.
    Zum Beispiel?
    Was weiß ich. Wenn ich wieder nach unten komme, werde ich ihm eine Geschichte von einem guten Kroaten erzählen, den ich getroffen habe.
    Ich bin nicht gut.
    Wer hat gesagt, dass das eine Geschichte über dich ist? Vida sah ihn schweigend an, dann schulterte er seinen Rucksack und zog die Riemen an.
    Wo kann ich dich finden, wenn ich wiederkomme?, fragte er.
    Keine Sorge, du findest mich schon. Was willst du überhaupt in Zagreb?
    Meine Frau und mein Sohn sind da, und ich will mir wahrscheinlich eine Arbeit suchen.
    Und nun hörte er den Polizisten sagen:
    Geht arbeiten!
    Das ist genau das, was wir uns wünschen, sagte Vida, aber es gibt keine Arbeit.
    Das ist nicht mein Problem. Die Lebensmittel könnt ihr jedenfalls nicht mitnehmen.
    Du schützt diesen lausigen Container, und wer schützt unsere Familien und uns?
    Der Polizist zuckte mit den Schultern.
    Das landet doch sowieso alles auf der Müllhalde, Vida war geduldig.
    Dann wühlt halt auf der Müllhalde herum, hier jedenfalls nicht.
    Was für ein Mensch bist du eigentlich?
    Ich würde ja vielleicht erlauben, dass ihr etwas
aus dem Container nehmt, aber das Gesetz erlaubt es nicht.
    Die, die das Gesetz gemacht haben, hatten nie Hunger.
    Der Schatten des Polizisten befahl dem Polizisten, mit der Hand in ihre Richtung zu winken, als würde er Fliegen vertreiben wollen. Vida trat einen Schritt nach vorne und schlug mit voller Wucht vor seinen Kehlkopf. Der Polizist griff sich an den Hals, fiel zu Boden und zuckte röchelnd, während sein Kollege einen Schritt zurücktrat und die Arme hob.
    Mich geht das alles nichts an, sagte er, nehmt mit, was ihr wollt.
    Geht weg, sagte Vida zu seinen
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