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Der Aufstand Der Ungenießbaren

Der Aufstand Der Ungenießbaren

Titel: Der Aufstand Der Ungenießbaren
Autoren: Edo Popovic
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und andere Abartigkeiten in der Kirche verhaften solle. Es ist gut, dass ihr so viele seid, riefen sie der Polizei zu, er ist ein ziemlich perverser Typ, und mit euch fühlen wir uns sicher. In einer Botschaft, die sie den Medien an dem Tag vor der Ankunft des Papstes zugespielt hatten, drohten sie, dass sie – sollte der Staat nichts unternehmen – den Papst zu einer legalen Zielscheibe erklären und selbst mit ihm abrechnen würden.
    Ich kaufte Kaffee, Golden Yunnan-Teebeutel, ein Glas Waldhonig und Brot. Auf dem Markt kaufte ich Pfirsiche, Orangen, Bananen, einige Pitayas, jeweils ein Körbchen Tamarinde und Physalis, meine kleine private Obstpathologie.
    Bei uns zu Hause gab es nie Obst in ausreichenden Mengen. Ich erinnere mich daran, dass es meiner Mutter unangenehm war, wenn wir zusammen in den Supermarkt gingen. Sie schlich mit dem Blick zu Boden gerichtet durch die Obstabteilung. Obwohl ich ein Kind war, verstand ich, worum es ging, und ich quengelte nicht. Heute hole ich all das nach. Vitamine und Mineralien sind mir egal, die Obstfülle verleiht mir Sicherheit, ich fürchte mich weniger vor dem, was kommt, der Morgen erscheint mir vielversprechend. Im Gefängnis fehlte mir das Obst am meisten.
    Zum Abendessen aß ich Brot und Honig. Danach halbierte ich mit einem Messer eine Pitaya, die Drachenfrucht. Das weiße Fleisch war durchzogen von schwarzen Kernchen, wie das Negativ einer Aufnahme des nächtlichen Himmels. Es war weich und zart, wie das Fleisch eines frischen Fisches. Beim Essen betrachtete ich die Gardine vor dem französischen Fenster, die sich im sanften Wind bewegte.
    In der Nacht träumte ich von einer Straße. Ich gehe diese Straße entlang. Es ist Sommer. Ich habe das Gefühl, dass ich beim Laufen kopfüber hänge. Ein warmer dichter Regen geht nieder. Ich finde keinen Unterschlupf. Eine Bushaltestelle aus Glas ist voll besetzt. Keines der Häuser hat Türen, auch die Geschäfte nicht. Eine durchweichte Twix-Schokoladenverpackung liegt auf dem Bürgersteig. Ich würde so gerne ins Trockene flüchten. Plötzlich finde ich mich in einem Dornengestrüpp wieder. Ich weiß nicht, wie ich dorthin geraten bin. Ich befreie mich daraus. Dornen stechen in meine Hand, abgebrochene Zweige bleiben an meinen Armen hängen.
    Die Schwalben weckten mich. Ich spähte durch das geöffnete Fenster. Der Himmel war klar, wie nach einem Regen. Unter dem Vordach hingen einige Schwalbennester. Man sagt, dass die Schwalben ihre Nester nur an Häusern guter Menschen bauen. Ich machte eine halbe Stunde lang meine Übungen, duschte und kochte mir einen Tee. Bei den Ungenießbaren haben wir immer darauf geachtet, in Form zu sein, Fraktalfrau leitete jeden Tag Yogaübungen, was uns bei unserer Arbeit zugutekam. Im Gefängnis habe ich weiterhin Yogaübungen betrieben und erweiterte sie um Kraftübungen. Das hielt mir in der Regel die Typen vom Leib, die nach dem Motto »Der Stärkere frisst den Schwächeren« ticken. Einige Wochen lang steckte ich Prügel ein und teilte auch
aus – dann ließen sie mich endlich in Ruhe. Das nennt man eine Haltung einnehmen. Die Welt hier drinnen gefiel mir genauso wenig wie die Welt draußen, ich wollte nicht zu einem Teil von ihr werden. Ich war nicht hierhergekommen, um Freundschaften und Beziehungen aufzubauen. Ein gewisses Ansehen im Gefängnis sicherte mir, neben der Tatsache, dass ich zu einer Organisation gehörte, die – wie es hieß – »die Arschlöcher umlegt«, der Umstand, dass mein Vater einen Polizisten getötet hatte. So etwas spricht sich im Gefängnis schnell herum. Man erzählte, ich sei der Sohn eines Mannes, der mit einem Faustschlag einen Bullen erledigt habe. Diese und ähnliche Geschichten zogen ihre Kreise durch Zellen aller Gefängnisse. Viele kamen später auf mich zu und klopften mir freundschaftlich auf die Schulter. Sie kannten meinen Vater nicht. Sie wussten nicht, dass er keinen Polizisten, sondern ein sadistisches Ekelpaket getötet hatte, das Menschen daran hinderte, die eigene Familie zu ernähren.
    Ich trank Tee und beobachtete die langen Bambusstäbe, die in einem Holzständer auf dem Boden steckten, ein Riesenkamm mit schiefen Zähnen. Wahrscheinlich eine Installation. Eigentlich gefiel sie mir. Man konnte sie betrachten und seine Gedanken dabei abschweifen lassen. Wie wenn man den Wind in den Baumkronen beobachtet oder die Wellen auf dem Meer.
    Ich trank den letzten Schluck Tee und schaltete meinen Toshiba-Laptop an. In der Post fand ich einige
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