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Der amerikanische Investor (German Edition)

Der amerikanische Investor (German Edition)

Titel: Der amerikanische Investor (German Edition)
Autoren: Jan Peter Bremer
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hatte, auch schon wieder von ihm abgewandt und stur ihre eigene Suche fortgesetzt.
    Er sah auf sein Notizbuch hinab. Ein anständiger Mensch hätte ihn doch in diesem Moment fragen müssen, was er denn eigentlich verloren habe und ob man vielleicht behilflich sein könne. Dieser Gedanke aber war der jungen, barfüßigen Frau nicht im Entferntesten gekommen. Auch die Art ihrer Suche ließ jede Ernsthaftigkeit vermissen. Vielmehr flanierte sie, als wäre sie nur für diesen Moment geboren, in unendlicher Selbstverliebtheit kokett auf und ab. Wie konnte ein Mensch überhaupt einen Schuh verlieren und wie würde er reagieren, wenn das einem seiner Kinder passieren würde? Auch diese Frage hatte ihn bereits im Park beschäftigt, und als er nur wenig später aus einem Gebüsch herauskroch und erneut vor der jungen, barfüßigen Frau stand, da sagte sie, ihre Lehre des heutigen Tages sei, dass man auch loslassen können müsse.
    Hart fühlte er den Ruck, der ihm durch den Körper fuhr. Kerzengerade saß er jetzt am Tisch. Dann sank er erleichtert wieder in sich zusammen. Das war nicht der Satz, nach dem er suchte.
    Wieder sah er auf sein Notizbuch hinab. Völlig spurlos war dieser dumme Satz, den die junge, barfüßige Frau ihm so leichtfertig ins Gesicht geworfen hatte, jedoch nicht an ihm vorübergegangen. Zumindest hatte er seine weitere Suche bestimmt, denn statt wie bis dahin mit höchster Konzentration und Schritt für Schritt den Boden unter sich abzugrasen, war ihm nun, als sehe er sich selbst bei der Suche zu. Ein paarmal hatte er sich sogar bereits umgesehen, ob die Leute am Ufer ihn schon beobachteten, und auch deshalb hatte er mit einer energischen Bewegung den Kopf gehoben und die Suche für beendet erklärt. Dann hatte er den Hund gerufen, der neben einem großen Stein schläfrig in die Sonne blinzelte, und war nach Hause gegangen.
    Er hob den Blick zur Wand. Hatte er, als er aus dem Park zurückgekommen war, den Satz, nach dem er suchte, bereits im Kopf, oder harrte er seiner noch?
    Er schloss die Augen. Zu Hause hatte er gleich das Radio angeschaltet und sich in seinen Sessel geworfen, um die stündlichen Nachrichten zu hören. Nach den Nachrichten, an die er gerade keinerlei Erinnerung mehr hatte, hatte er den Zollstock vom Wohnzimmertisch genommen und war in den hinteren Trakt der Wohnung gegangen. Als Erstes hatte er dort den Riss in der Wand nahe der Gastherme untersucht, der sich nicht erweitert hatte. Dann hatte er sich auf die Knie niedergelassen und war die Bodenkacheln durchgegangen, in denen auch kein neuer Sprung aufgetreten war, und wie immer zum Schluss hatte er noch den Spalt zwischen dem Rahmen und der Tür zur Abstellkammer gemessen, der nach wie vor 2,1 Zentimeter betrug. Dann war er ins Badezimmer gewechselt, und obwohl er auf den ersten Blick gesehen hatte, dass seine täglichen Messungen und Untersuchungen auch dort das gleiche Ergebnis wie schon seit Wochen zeitigen würden, hatte er trotzdem kaltes Wasser in die Wanne einlaufen lassen. Nachdem er sich erst eine Weile im Spiegel betrachtet und anschließend mit dem kleinen Finger in den Schlitz hineingefühlt hatte, der sich vor einiger Zeit unter dem Fensterbrett aufgetan hatte, hatte er das Wasser wieder abgestellt und sich auf eine Ecke der Badewanne gesetzt. Ganz deutlich stand das Wasser zu dem am Fenster verlaufenden Rand höher. Ob die Wanne jedoch im Vergleich zu den Tagen und Wochen davor noch ein Stückchen zur Fensterfront hin abgesackt war, das ließ sich heute wieder nicht feststellen, und während er nun schon eine ganze Weile auf die Wasseroberfläche gestarrt hatte, war ihm plötzlich der Gedanke in den Kopf geschossen, dass dieses schon ewig anhaltend schöne Wetter nicht nur ihn, sondern auch die Wohnung in einen immerwährend gleichbleibenden Zustand versetzt hatte.
    Kurz schreckte er auf und sah zum Notizbuch hinab. Dann schüttelte er den Kopf. Das war auch nicht der Satz, den er sich unbedingt notieren wollte.
    Vor gut zwei Monaten hatte die neue Hausverwaltung einen Statiker in ihre Wohnung kommen lassen, der die Absenkung des Küchen- und Badezimmerbodens bestätigte. Wäre die Wohnung ebenerdig, hätte sie diese Absenkung, die sie zuvor in einem förmlichen Brief bemängelt hatten, nur wenig befremdet. Sie aber lebten, mit zwei Kindern, in der obersten Etage eines vierstöckigen Mietshauses.
    Die meisten Räume ihrer großzügigen Altbauwohnung befanden sich im Vorderhaus. Nur Küche und Bad sowie ein kleineres
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