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Der amerikanische Investor (German Edition)

Der amerikanische Investor (German Edition)

Titel: Der amerikanische Investor (German Edition)
Autoren: Jan Peter Bremer
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seines Notizbuches herum.
    Er holte tief Luft. Dabei hatte er sich gerade heute Morgen, bevor der pensionierte Hausmeister ihn zu sich gewinkt hatte, so gut wie seit langem nicht mehr gefühlt. Mit einem Lächeln im Gesicht hatte er sich aus dem Bett erhoben und sich lange erstaunt umgesehen, wie ein kleines Mädchen, das nach dem Erwachen mit freudig klopfendem Herzen feststellt, dass tatsächlich alles, was es erblickt, mit einem rosa Film überzogen ist. Der Kaffee, den er sich in der Küche aufbrühte, duftete so herrlich, als sei er über Nacht verzaubert worden, aber noch wunderbarer schmeckte die Banane, und während er, noch im Sessel, auf die leere Schale blickte, die von seiner Hand herabhing, da war er plötzlich gewiss, dass all diese losen Sätze in seinem Notizbuch sich bald mit größter Lockerheit und Leichtigkeit zu einem Ganzen fügen ließen. Es geht doch nur um eine winzige Umdeutung, hatte er gedacht. Wenn er nur etwas genauer wüsste, hatte er gedacht, wer dieser ungebetene Gast, den er sich zur Hauptfigur seiner neuen Geschichte erkoren hatte und um den er schon seit Wochen herumschlich, eigentlich war, und wenn er dann gleichzeitig noch wüsste, was dieser ungebetene Gast von der Familie, die, laut Notizbuch, aus seiner Frau, den Kindern und ihm bestand, wohl wollen könnte und warum er sich gerade in ihr Leben hineingeschlichen hatte, dann würde die Geschichte sogleich einen riesigen Schub erfahren. Der Wunsch zur Tatkraft, hatte er gedacht, war mehr als vorhanden. Jetzt hieß es doch nur ein wenig zu experimentieren, und warum sollte er zum Beispiel nicht selbst dieser ungebetene Gast sein? Der Gedanke hatte ihm heute Morgen kurz den Atem genommen. »Wie schlicht doch die besten Lösungen sind!«, hatte er gerufen und war aus dem Sessel emporgeschnellt. An der Wohnungstür hatte er noch einmal kehrtgemacht, und während er den Ball des Hundes in die Tasche seiner Jacke stopfte, hatte er, aus einiger Entfernung, seinem Notizbuch zugezwinkert. Dann war er das Treppenhaus hinabgestürmt.
    Wieder holte er tief Luft. Wäre er doch heute Morgen bloß nicht zu dem pensionierten Hausmeister getreten. Aber wie hätte er auch ahnen können, dass der pensionierte Hausmeister ihm einen Witz erzählen würde, der ihn auf den Grund seiner selbst schmetterte. Normalerweise erzählte doch der pensionierte Hausmeister ausschließlich schlüpfrige Witze, sogenannte Leckerbissen, und immer musste er ihm im Voraus versprechen, den folgenden Witz weder an Frauen und erst recht nicht an Kinder weiterzugeben. Ihrem Hund, fügte der pensionierte Hausmeister dann immer hinzu, indem er sich ihm noch um einiges näherte, dem können Sie den Witz in aller Ruhe noch mal erzählen, denn der ist verschwiegen, aber sonst könnte es schnell böses Blut geben. Wieder sah er sich zu dem Hausmeister vortreten. Weder dem Hund noch irgendjemand anderem hatte er jemals einen dieser Witze weitererzählt. Bereits nach ein paar Metern waren sie ihm regelmäßig wieder entschwunden, was auch daran lag, dass er ihren Sinn meist nur unvollständig erfasste. Vermutlich war er für diese Art von Witzen ein viel zu argloser Mensch.
    Er sah auf den Boden hinab. Ja, dachte er, ein argloser und kraftloser Mensch, das war er, und deshalb würde er auch nie wieder unter diesem Tisch hervorkommen. Nie wieder würde er mit den Kindern toben, nie wieder mit seiner Frau in einem Bett schlafen, nie wieder würde er mit dem Hund in den Park gehen und erst recht würde er sich, ob unter dem Tisch oder auf dem Weg in den Park, nie wieder die Frage stellen, wer denn eigentlich dieser ungebetene Gast war, der in seinem Notizbuch so brachlag. Wie hatte er nur so hochmütig sein können, gerade diese Figur für sich zu erwählen, und warum hielt er so verbissen an ihr fest? Weder über den ungebetenen Gast noch über die Geschichte selbst hatte er in diesen langen und öden Tagen, die er zumeist wie festgenagelt am Schreibtisch verbrachte, das Geringste herausgefunden. Welches Ziel verfolgte er mit der Geschichte und welches Ziel verfolgte der ungebetene Gast? War er weiblich oder männlich oder war dieser Protagonist womöglich doch er selbst? Wenn er aber selbst dieser Protagonist war, war es dann wirklich eine gute Idee, dass der ungebetene Gast seine Frau verführte? Warum nur sollte er sich, wo doch ohnehin schon alles schwierig genug war, nun auch noch von dem ungebetenen Gast Schaden zufügen lassen? Wäre es nicht im Gegenteil viel sinnvoller,
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