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Der Alchimist

Der Alchimist

Titel: Der Alchimist
Autoren: Paulo Coelho
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unterhält sich ein König mit einem einfachen Hirten?« fragte der Jüngling beschämt und verwundert.
    »Dafür gibt es mehrere Gründe. Aber der Hauptgrund liegt darin, daß du es geschafft hast, deinem persönlichen Lebensweg zu folgen.« Der Jüngling wußte nicht, was ein persönlicher Lebensweg war. »Es ist das, was du schon immer gerne machen wolltest. Alle Menschen wissen zu Beginn ihrer Jugendzeit, welches ihre innere Bestimmung ist. In diesem Lebensabschnitt ist alles so einfach, und sie haben keine Angst, alles zu erträumen und sich zu wünschen, was sie in ihrem Leben gerne machen würden. Indessen, während die Zeit vergeht, versucht uns eine mysteriöse Krall davon zu überzeugen, daß es unmöglich sei, den persönlichen Lebensweg zu verwirklichen.« Was der Alte da sagte, ergab nicht viel Sinn für den jungen Mann. Dennoch wollte er wissen, was der Begriff mysteriöse Kräfte bedeuten sollte; die Tochter des Händlers würde Augen machen.
    »Das sind die Kräfte, die uns schlecht erscheinen, aber in Wirklichkeit helfen sie uns, unseren persönlichen Lebensplan zu erfüllen. Sie entwickeln deinen Geist und deinen Willen, denn es gibt eine große Wahrheit auf diesem Planeten: Wer immer du bist oder was immer du tust, wenn du aus tiefster Seele etwas willst, dann wurde dieser Wunsch aus der Wellenseele geboren. Das ist dann deine Aufgabe auf Erden.« »Selbst wenn es nur der Wunsch zu reisen ist oder der, die Tochter des Textilhändlers zu heiraten?« »Oder der, nach einem Schatz zu suchen. Die Wellenseele wird von dem Glück der Menschen gespeist. Oder vom Unglück, von Neid und Eifersucht. Unsere einzige Verpflichtung besteht darin, den persönlichen Lebensplan zu erfüllen. Alles ist in Einem. Und wenn du etwas ganz fest willst, dann wird das gesamte Universum dazu beitragen, daß du es auch erreichst.« Einige Zeit blieben sie schweigsam und beobachteten die Leute auf dem Marktplatz. Der Alte ergriff zuerst wieder das Wort. »Warum hütest du Schafe?« »Weil ich gerne reise.« Der Alte deutete auf einen Eisverkäufer mit einem roten, zweirädrigen Karren, der an einer Ecke des Platzes stand.
    »Dieser Eisverkäufer wollte als kleiner Junge auch immer reisen. Aber er zog es vor, einen kleinen Eiswagen zu kaufen, um einige Jahre Geld zu verdienen und zu sparen. Wenn er genug hat, wird er einen Monat in Afrika verbringen. Er hat nie verstanden, daß man immer in der Lage ist, das, was man sich erträumt, auch in die Tat umzusetzen.« »Er hätte auch Hirte werden können«, überlegte der Jüngling laut. »Er hat sogar daran gedacht«, sagte der Alte. »Aber die Eisverkäufer sind geachteter als die Hirten. Sie haben ein Haus, während die Hirten im Freien übernachten. Die Leute verheiraten ihre Töchter lieber mit einem Eisverkäufer als mit einem Hirten.« Der Jüngling fühlte einen Stich im Herzen, als er an die Tochter des Händlers denken mußte. Sicherlich gab es in ihrer Stadt auch einen Eisverkäufer.
    »Schließlich wird es für die Menschen wichtiger, was andere Leute über Eisverkäufer und über Hirten denken, als ihre innere Bestimmung zu erfüllen.« Daraufhin blätterte der Alte in dem Buch und las ein wenig darin. Der junge Mann wartete ein Weilchen, um ihn dann zu unterbrechen, wie er selber unterbrochen worden war.
    »Warum erzählen Sie mir diese Dinge?« »Weil auch du deiner inneren Bestimmung zu folgen versuchst und nun kurz vor dem Aufgeben stehst.« »Und erscheinen Sie immer im kritischen Moment?« »Zwar nicht immer in dieser Form, jedoch irgendwie tauche ich immer auf. Manchmal erscheine ich in Form eines guten Ausweges, einer guten Idee. Ein andermal, in einem entscheidenden Moment, erleichtere ich die Dinge. Und so weiter, aber die Mehrheit der Menschen bemerkt es nicht.« Der Alte berichtete, daß er vergangene Woche einem Edelsteinsucher in Form eines Steines erschienen sei. Der Mann hatte alles aufgegeben, um Smaragde zu suchen. Fünf Jahre lang arbeitete er an einem Fluß und hatte bereits 999 999 Steine aufgeschlagen, auf der Suche nach einem Smaragd. Nun dachte der Edelsteinsucher ans Aufgeben dabei fehlte doch nur noch ein Stein, ein einziger Stein, bis er seinen Smaragd finden würde. Weil auch dieser an seine Bestimmung geglaubt hatte, beschloß der Alte einzugreifen. Er verwandelte sich in einen Stein, der auf den Fuß des Mannes zurollte. Dieser aber warf, mit der ganzen Wut und Verzweiflung seiner fünf verlorenen Jahre, den Stein weit von sich. Er
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