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Der Alchimist

Der Alchimist

Titel: Der Alchimist
Autoren: Paulo Coelho
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ihren düsteren Lagern zu halten. Als kleiner Junge hatte er immer schreckliche Angst gehabt, von den Z igeunern verschleppt zu werden, und diese alte Erinnerung kam nun wieder hoch, während die Alte seine Hände festhielt. >Aber sie hat ja ein Bild von Jesus an der Wand<, versuchte er sich zu beruhigen. Er wollte nicht, daß seine Hände zu zittern begannen und die Alte womöglich seine Ängste bemerkte. Im stillen sprach er ein Vaterunser. »Wie interessant«, bemerkte die Alte, ohne ihre Augen von seinen Händen abzuwenden. Und schwieg wieder.
    Der Jüngling wurde immer unruhiger. Seine Hände begannen unwillkürlich zu zittern, und die Alte bemerkte es. Schnell zog er sie zurück. »Ich bin nicht hier, um mir die Hand lesen zu lassen«, sagte er und bereute schon, überhaupt gekommen zu sein. Für einen Augenblick dachte er, daß es besser sei, sofort zu zahlen und zu verschwinden, ohne etwas erfahren zu haben. Er hatte einem wiederkehrenden Traum einfach zuviel Bedeutung beigemessen.
    »Du willst etwas über Träume erfahren«, antwortete die Alte. »Und Träume sind die Sprache Gottes. Wenn er die Sprache der Welt spricht, kann ich sie deuten. Aber wenn er die Sprache deiner Seele spricht, so kannst nur du selber sie verstehen. Dennoch werde ich die Beratung berechnen.« >Wieder so ein Trick<, dachte der Jüngling. Trotzdem wollte er es wagen. Schließlich ging ein Hirte auch das Wagnis ein, Wölfen oder der Trockenheit zu begegnen, und das machte seinen Beruf erst spannend. »Ich hatte den gleichen Traum zweimal hintereinander«, sagte er. »Ich träumte, daß ich mit meiner Herde auf der Weide war, als plötzlich ein Kind erschien, das mit den Schafen zu spielen begann. Eigentlich mag ich nicht, wenn man meine Schafe stört, sie haben nämlich Angst vor Fremden. Aber Kinder können immer mit ihnen herumtoben, ohne daß sie sich erschrecken. Ich weiß nicht, warum. Wie können die Schafe wohl das Alter eines Menschen erkennen?« »Komm endlich zur Sache«, unterbrach ihn die Alte. »Ich habe einen Topf auf dem Feuer. Außerdem hast du wenig Geld und kannst meine Zeit nicht so lange beanspruchen. « »Das Kind spielte ein Weilchen mit den Schafen«, fuhr der Jüngling etwas verlegen fort. »Und auf einmal nahm es mich bei der Hand und führte mich zu den Pyramiden von Ägypten.« Er machte eine kleine Pause, um die Wirkung seiner Worte abzuwarten. Aber die Alte blieb stumm.
    »Dann, bei den Pyramiden von Ägypten«, die letzten drei Worte sprach er besonders betont, damit die Alte sie auch ja verstand, »sagte mir das Kind: >Wenn du hierherkommst, dann wirst du einen verborgenen Schatz vorfinden.< Und als es mir den genauen Ort zeigen wollte, wachte ich auf. Beide Male.« Die Alte blieb noch ein Weilchen stumm. Dann griff sie erneut nach seinen Händen und begann, sie genauestens zu studieren. »Ich werde dir jetzt nichts abverlangen«, sagte die Alte. »Aber ich möchte ein Zehntel deines Schatzes, wenn du ihn findest.« träumten Schatzes willen das bißchen Geld behalten, das er noch besaß. Sie mußte tatsächlich eine Zigeunerin sein - die sind ja so dumm. »Also gut, dann deute den Traum«, bat sie der Jüngling. »Vorher mußt du mir noch schwören, daß du mir tatsächlich den zehnten Teil deines Schatzes abgibst als Lohn für das, was ich dir sagen werde.« Der junge Mann schwor, und die Alte bat ihn, den Schwur vor dem Christusbild zu wiederholen.
    »Hier handelt es sich um einen Traum in der Sprache der Welt«, sagte sie. »Ich kann ihn deuten, und es ist eine sehr schwierige Auslegung. Darum ist es nur gerecht, wenn mir ein Teil deines Fundes zusteht. Die Deutung ist folgende: Du sollst zu den Pyramiden von Ägypten gehen. Ich habe zwar noch nie etwas von ihnen gehört, aber wenn dir ein Kind den Weg gewiesen hat, dann gibt es sie wirklich. Dort wirst du dann einen Schatz finden, der dich sehr reich macht.« Der Jüngling war erst überrascht, dann enttäuscht. Dafür hätte er nicht kommen müssen. Doch schließlich brauchte er auch noch nichts zu bezahlen.
    »Für diese Auskunft hätte ich meine Zeit nun wirklich nicht zu verschwenden brauchen«, meinte er.
    »Darum sagte ich bereits, daß es sich um einen schwierigen Traum handelt. Die einfachen Dinge sind die ungewöhnlichsten, die nur die Gelehrten verstehen können. Da ich aber keine Gelehrte bin, muß ich andere Künste anwenden, wie beispielsweise das Handlesen.« Und wie soll ich nun nach Ägypten kommen?« »Ich kann Träume nur deuten.
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