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Der Alchimist

Der Alchimist

Titel: Der Alchimist
Autoren: Paulo Coelho
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Burg zu besichtigen, und glauben, daß die Vergangenheit besser war als die Gegenwart. Sie haben blonde Haare oder dunkle Haut, aber im Grunde sind sie alle so wie die Leute in unserem Ort.« »Aber ich kenne nicht die Burgen in ihren Ländern«, entgegnete der Jüngling.
    »Wenn sie unsere Gegend und unsere Frauen kennenlernen, dann sagen diese Männer, daß sie für immer hierbleiben möchten«, fuhr sein Vater fort. würde und eines nach dem anderen abschlachtete, so würden sie es wohl erst bemerken, wenn ihre Herde schon so gut wie ausgerottet ist<, dachte der Jüngling. >Denn sie vertrauen mir blindlings und vertrauen nicht länger auf ihren eigenen Instinkt. Nur, weil ich sie zu den grünen Auen und frischem Wasser leite.< Der junge Mann wunderte sich über seine eigenen Gedanken. Vielleicht war diese alte Kirche mit dem Maulbeerbaum irgendwie verhext gewesen. Immerhin war sie daran schuld, daß er einen Traum zum zweiten Mal träumte, und mit einemmal Wut gegenüber seinen so treuen Gefährten empfand. Er trank einen Schluck Wein, der noch vom Abendbrot übriggeblieben war, und preßte seinen Mantel gegen den Leib. Es war ihm klar, daß es in einigen Stunden, wenn die Sonne senkrecht stand, zu heiß sein würde, um seine Schafe über die Felder zu führen. Es war die Tageszeit, wo während des Sommers ganz Spanien Siesta machte. Die Hitze hielt bis in die Abendstunden an, und die ganze Zeit über mußte er seinen Mantel mitschleppen. Aber jedesmal, wenn er sich über die Last beklagen wollte, fiel ihm wieder ein, daß er es diesem verdankte, wenn er morgens nicht zu frieren brauchte.
    >Auf die Launen des Wetters müssen wir immer vorbereitet sein, dachte er und freute sich über das Gewicht des Mantels.
    So hatte sein Mantel einen Sinn, wie sein Leben auch einen hatte. Nach zwei Jahren kannte er nun schon alle Städte Andalusiens auswendig, und der große Sinn seines Lebens war: zu reisen. Er nahm sich vor, diesmal dem Mädchen zu erklären, warum ein einfacher Hirte lesen konnte: Bis zu seinem sechzehnten Lebensjahr hatte er eine Klosterschule besucht, und seine Eltern wünschten, daß er Priester würde, worauf eine einfache Bauernfamilie Grund hatte, stolz zu sein. Denn auch sie hatten bisher nur für Nahrung und Wasser gelebt, wie seine Schafe. So erhielt er Unterricht in Latein, Spanisch und Theologie. Aber seit seiner Kindheit träumte er davon, die weite Welt kennenzulernen, und das schien ihm viel wichtiger, als Gott und die Sünden der Menschen kennenzulernen. Eines Nachmittags, als er seine Eltern besuchte, faßte er sich ein Herz und verkündete seinem Vater, daß er kein Priester werden, sondern reisen wolle.
6
    »Menschen aus der ganzen Welt kamen schon durch diesen Ort, mein Sohn«, sagte damals sein Vater. »Sie kommen auf der Suche nach neuen Dingen, aber sie bleiben dabei dieselben. Sie gehen auf den Hügel, um die Burg zu besichtigen, und glauben, daß die Vergangenheit besser war als die Gegenwart. Sie haben blonde Haare oder dunkle Haut, aber im Grunde sind sie alle so wie die Leute in unserem Ort.« »Aber ich kenne nicht die Burgen in ihren Ländern«, entgegnete der Jüngling.
    »Wenn sie unsere Gegend und unsere Frauen kennenlernen, dann sagen diese Männer, daß sie für immer hierbleiben möchten«, fuhr sein Vater fort. möglich ein anderer Schäfer mit einer größeren Herde vor ihm dagewesen war und um ihre Hand angehalten hatte.
    >Erst die Möglichkeit, einen Traum zu verwirklichen, macht unser Leben lebenswert<, überlegte er, während er nochmals zum H immel aufschaute und seine Schritte beschleunigte. Ihm war nämlich gerade eingefallen, daß es in Tarifa eine Alte gab, die Träume deuten konnte. Und vergangene Nacht hatte er einen wiederkehrenden Traum gehabt.
7
    Die Alte führte den Besucher zu einem Raum im hinteren Teil des Hauses, der vom Wohnzimmer durch einen Vorhang aus bunten Plastikstreifen abgetrennt war. Dort gab es einen Tisch, zwei Stühle und ein Bildnis von Jesus von Nazareth.
    Die Alte nahm Platz und forderte ihn auf, es ihr nachzutun. Dann ergriff sie beide Hände des Jünglings und begann, leise murmelnd zu beten. Es klang nach einem Zigeunergebet. Er war schon etlichen Zigeunern auf seinem Weg begegnet; sie reisten, auch ohne Schafe zu hüten. Die Leute behaupteten, daß das Leben eines Zigeuners darauf ausgerichtet sei, andere zu betrügen. Man sagte auch, daß sie im Bündnis mit den Dämonen wären, und daß sie Kinder raubten, um sie als Sklaven in
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