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Dem Killer auf der Fährte

Dem Killer auf der Fährte

Titel: Dem Killer auf der Fährte
Autoren: Susan Conant
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einen Flanellbademantel an, stöpselte das Telefon aus, ging ins Bett und griff mir vom Nachttisch den Bestellkatalog von L. L. Bean. Rowdy lief unruhig im Schlafzimmer auf und ab und sah mich dabei verwirrt und ratlos an, als würde er zu mir sagen: »Du legst dich doch sonst nicht am hellichten Tag ins Bett, und wo ist Kimi?«
    »Komm ins Bett«, befahl ich ihm und klopfte mit meiner guten Hand auf die Decke. Eines der Privilegien im Zusammenleben mit einem hochintelligenten Hund ist, daß man sich und dem Tier Ausnahmen von der Regel gestatten kann. Läßt man einen dummen Hund auch nur ein einziges Mal im Bett schlafen, muß man ihn für den Rest des Lebens immer wieder hinauswerfen, aber ein Alaskan Malamute ist durchaus in der Lage zu begreifen, daß etwas zwar grundsätzlich verboten ist, gelegentlich aber dennoch erlaubt werden kann. Rowdy sprang auf mein Kommando freudig in die Luft und landete neben mir auf der Matratze. »Guter Junge«, lobte ich ihn.
    Den Arm um Rowdys kräftigen und flauschigen Nacken gelegt, studierte ich eines der tröstlichsten Beispiele amerikanischer Prosa und genoß darin die Beschreibung einer Welt, in der es keinerlei Ungewißheit oder Zweifelhaftigkeit gab, der praktischen und langlebigen Modewelt von L. L. Bean, deren durchdacht entworfene Hosen dem Träger uneingeschränkte Bewegungsfreiheit lassen und deren Rollkragenpullover aus atmungsaktiver Wolle niemals einengen oder ausbeuteln. Es ist ein Land, in dem alles gewaschen werden und nichts einlaufen kann, in dem alle empfindlichen Stellen gepolstert sind, und wo es für jede Lebenslage die richtige Kleidung gibt: leichte Mäntel, die an frischen Herbst- oder Frühlingstagen warm halten und gegen den Wind schützen, Jacken, die sich gleichermaßen für den Einkaufsbummel wie für die Gartenarbeit eignen. Und auf die Qualität aller Produkte wird eine hundertprozentige Garantie gegeben. In dieser Welt gibt es nichts Doppeldeutiges, und das Denken muß man nicht selbst besorgen. Ich fiel in einen tiefen Schlaf.
    Ein dummer oder egoistischer Hund hätte mich auch geweckt, wenn es Zeit für sein Abendessen gewesen wäre, aber Rowdy ließ mich an diesem Abend bis neun Uhr schlafen, als er schließlich seine nasse Schnauze auf meine Wange legte. Dann stieß er eine Serie kurzer Knurrlaute hervor, die sich anhörten, als würde er drohen, mir im nächsten Moment die Kehle zu zerfleischen. Aus dem Malamutischen übersetzt, bedeutet es jedoch lediglich die freundliche, aber bestimmte Bitte, ihn ins Freie zu lassen.
    Kurz nachdem Rowdy aus dem Garten wieder zurückgekommen war und sein Futter gefressen hatte, kam Rita von einer Verabredung nach Hause und klopfte an meine Küchentür. Sie hatte ihr Haar aus dem Gesicht gebürstet, duftete nach Parfüm und trug ein malvenfarbenes Seidenkleid und eine Menge Silberschmuck. Während ich in meine Jeans und einen Pullover schlüpfte, machte sie mir ein Rührei und Toast. Dann erzählte ich ihr, was passiert war und wie merkwürdig tief und fest ich geschlafen hatte. Therapeuten sind oft mehr an den Reaktionen auf die Ereignisse als an den Ereignissen selbst interessiert.
    Rita sagte: »Regression als Wiederherstellung des Selbst, das ist ein nützlicher Schutzmechanismus und völlig in Ordnung.«
    »Wenn Rowdy nicht so dringend rausgemußt hätte, hätte ich wahrscheinlich bis zum nächsten Morgen durchgeschlafen, dabei kann ich sonst tagsüber nie schlafen. Und es war ein merkwürdiger Schlaf, schwer und wie unter Betäubung. Vielleicht hilft mir das Essen wieder auf die Beine. Ich meine mich daran zu erinnern, daß ich gestern noch zu Mittag gegessen habe, aber ich bin nicht ganz sicher. Wahrscheinlich bin ich auch noch gar nicht richtig wach.«
    »Und wieso war dieser Schlaf so besonders tief und fest?«
    »Ich war eben sehr müde«, wich ich aus, aber eine Antwort wie diese konnte Rita natürlich nicht zufriedenstellen.
    »Gibt es etwas, was du im Schlaf vergessen wolltest?«
    »Ja, vielleicht dieses ganze Komplexe und Zweideutige... Weißt du, was ich jetzt gerne hätte?«
    »Einen Hund«, schlug Rita vor.
    Ich lachte und es kam mir vor, als sei es das erste Mal seit Wochen. »Nein, zur Abwechslung einmal keinen Hund.«
    »Und was möchtest du dann?«
    »Eine Antwort, nur eine einzige Antwort. Ich bin es leid, daß alles so schwierig ist. Ich will einen Grund, und ich will Klarheit.«
    »Ich glaube nicht, daß es das ist, was dich bedrückt«, sagte Rita.
    »Ja, du hast natürlich recht.
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