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Delirium

Delirium

Titel: Delirium
Autoren: Lauren Oliver
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Rede über Fotografie, Laufen und die Zeit, die ich mit meinen Freunden verbringe, aber ich bin unkonzentriert. Ich sehe, wie die Gutachter vor mir nicken, wie ihre Gesichter lächeln und offener werden, während sie sich Notizen machen, daher weiß ich, dass sie bisher zufrieden sind, aber ich kann die Wörter, die aus meinem Mund kommen, überhaupt nicht hören. Ich bin auf den metallenen OP -Tisch fixiert, schaue immer wieder aus den Augenwinkeln zu ihm hinüber und sehe, wie er im Licht blinkt und schimmert wie eine Klinge.
    Und plötzlich fällt mir meine Mutter ein. Meine Mutter war auch nach drei verschiedenen Eingriffen nicht geheilt und die Krankheit bemächtigte sich ihrer, nagte an ihrem Inneren, ließ ihre Augen hohl und ihre Wangen bleich werden, sie übernahm die Kontrolle über ihre Füße und führte sie Stück für Stück bis an die Kante einer sandigen Klippe und dann in die helle, dünne Luft des Sprungs über den Rand.
    Das hat man mir zumindest erzählt. Ich war damals sechs. Ich erinnere mich nur noch an den nächtlichen Druck ihrer heißen Finger auf meinem Gesicht und an ihre letzten geflüsterten Worte. Ich liebe dich. Vergiss das nicht. Das können sie uns nicht nehmen.
    Ich schließe schnell die Augen, überwältigt von der Vorstellung, wie meine Mutter sich windet, während ein Dutzend Wissenschaftler in Laborkitteln sie beobachtet und sich ungerührt Notizen macht. Drei Mal wurde sie auf einen Metalltisch geschnallt; drei Mal sah ihr eine Gruppe Beobachter von der Tribüne aus zu und registrierte ihre Reaktionen, als die Nadeln und dann der Laser ihre Haut durchbohrten. Normalerweise sind die Patienten während des Eingriffs betäubt und spüren nichts, aber meiner Tante ist irgendwann mal rausgerutscht, dass man beim dritten Eingriff davon abgesehen hatte, meine Mutter zu betäuben, weil man glaubte, die Narkose würde die Wirkung der Operation beeinträchtigen.
    Â»Möchtest du etwas Wasser?« Gutachterin Nummer eins zeigt auf eine Wasserflasche und ein Glas auf dem Tisch. Sie hat gemerkt, wie ich zusammengezuckt bin, aber das macht nichts. Meine persönliche Erklärung habe ich hinter mir und an der Art, wie mich die Gutachter ansehen – erfreut, stolz, als wäre ich ein kleines Kind, das es geschafft hat, alle Holzklötze in die richtigen Löcher zu stecken –, kann ich erkennen, dass es gut gelaufen ist.
    Ich gieße mir ein Glas Wasser ein und trinke ein paar Schlucke, dankbar für die Pause. Schweiß kribbelt mir unter den Armen, auf der Kopfhaut und im Nacken, und ich bete zu Gott, dass sie es nicht sehen können. Ich versuche meinen Blick auf die Gutachter gerichtet zu halten, aber da steht er am Rand meines Gesichtsfelds und grinst mich an: der verdammte Tisch.
    Â»Also gut, Lena. Wir werden dir jetzt ein paar Fragen stellen. Wir möchten, dass du ehrlich antwortest. Denk daran, wir wollen dich als Menschen kennenlernen.«
    Als was denn sonst? Die Frage taucht in meinem Kopf auf, bevor ich es verhindern kann. Als Tier?
    Ich hole tief Luft und zwinge mich dazu, zu nicken und zu lächeln. »Prima.«
    Â»Nenne uns einige deiner Lieblingsbücher.«
    Â» Liebe, Krieg und wie beides zusammenhängt von Christopher Malley«, antworte ich automatisch. » Grenze von Philippa Harolde.« Ich versuche die Bilder zu vertreiben, aber es ist zwecklos: Sie steigen jetzt wie eine Flut. Das eine Wort schreibt sich immer wieder in mein Gehirn ein, als wollte es sich dort einbrennen. Schmerz . Es war geplant, meine Mutter ein viertes Mal zu operieren. In der Nacht, in der sie starb, sollte sie abgeholt und zu den Labors gebracht werden. Aber stattdessen war sie in die Dunkelheit geflüchtet und hatte sich in die Luft erhoben. Hatte mich mit diesen Worten geweckt – Ich liebe dich. Vergiss das nicht. Das können sie uns nicht nehmen –, und noch lange nachdem sie verschwunden war, schien der Wind sie zu mir zurückzutragen, sie in den vertrockneten Bäumen und in den Blättern zu wiederholen, die in der kalten, grauen Dämmerung mit rauen Stimmen wisperten. »Und Romeo und Julia von William Shakespeare.«
    Die Gutachter nicken, machen sich Notizen. Romeo und Julia ist Pflichtlektüre im Gesundheitsunterricht der neunten Klasse.
    Â»Und warum?«, fragt Gutachter Nummer drei.
    Es ist beängstigend – das müsste ich sagen. Es ist ein
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