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Mord im Atrium

Mord im Atrium

Titel: Mord im Atrium
Autoren: Lindsey Davis
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I
    E ines musste man meinem Vater zugutehalten: Er hatte seine Frau nie verprügelt.
    »Er hat sie geschlagen!« Die Worte sprudelten regelrecht aus Papa heraus, so begierig war er, meiner Frau Helena zu erzählen, dass ihr Bruder sich häuslicher Gewalt schuldig gemacht hatte. »Er hat’s direkt zugegeben. Camillus Justinus hat Claudia Rufina geschlagen!«
    »Ich wette, das hat er dir im Vertrauen gesagt«, schnauzte ich. »Woraufhin du keine fünf Minuten später hier reinplatzt und es uns brühwarm erzählst!« Justinus musste sich bei ihm ein Geschenk besorgt haben, um wieder gut Wetter zu machen. Kaum hatte Papa dem Übeltäter ein exorbitantes »Vergib mir, Liebling«-Präsent verhökert, war mein Vater direkt zu uns geeilt, um zu petzen.
    »Mich wirst du bei so was nie erwischen«, prahlte er selbstgerecht.
    »Stimmt. Deine Verfehlungen sind heimtückischer.«
    In Rom gab es viele trunksüchtige Maulhelden und viele unterdrückte Frauen, die sich weigerten, ihre Männer zu verlassen, doch während ich den Frühstückshonig von meinen Fingern leckte und mir wünschte, Papa würde verschwinden, war mir einmal mehr bewusst, dass es sich bei ihm um eine sehr viel subtilere Persönlichkeit handelte. Marcus Didius Favonius, der sich aus nur ihm bekannten Gründen in Geminus umbenannt hatte, war äußerst kompliziert. Die meisten Menschen nannten meinen Vater einen liebenswerten Schlawiner. Daher waren die meisten Menschen erstaunt, dass ich ihn verabscheute.
    »Ich habe deine Mutter nie geschlagen!«
    Möglicherweise hörte man mir den Überdruss an. »Nein, du hast sie und deine sieben Kinder einfach im Stich gelassen, hast es Mutter überlassen, uns so gut wie möglich großzuziehen.«
    »Ich habe ihr Geld geschickt.« Die Zuwendungen meines Vaters waren ein Bruchteil des Vermögens, das er als Auktionator, Antiquitätenhändler und Verkäufer von Marmorreproduktionen angesammelt hatte.
    »Wenn Mama für jeden dämlichen Käufer bröckeliger griechischer ›Originalstatuen‹, die du ihnen angedreht hast, einen Denarius bekommen hätte, dann hätten wir alle nur Pfauen gespeist, und meine Schwestern hätten eine Mitgift bekommen, von der sie sich Tribune als Ehemänner hätten kaufen können.«
    Na gut, ich gebe es zu. Papa hatte recht, als er murmelte: »Deinen Schwestern Geld zu geben wäre eine ganz schlechte Idee gewesen.«
     
    Was Papa betrifft, konnte er sich, wenn es absolut unvermeidlich war, auf einen Kampf einlassen. Diesem Kampf zuzuschauen wäre durchaus lohnenswert, falls man vor der nächsten Verabredung noch eine halbe Stunde Zeit und ein Stück Lukanerwurst zum Kauen hatte, während man dort stand. Doch für ihn war die Vorstellung eines Ehemannes, der es wagte, seine streitsüchtige Ehefrau zu schlagen (die einzige Art, die mein Vater kannte, da er vom Aventin stammte, wo Frauen keinen Pardon geben), ebenso abwegig wie die, eine Vestalin dazu zu bringen, ihm einen Becher Wein zu spendieren. Außerdem wusste er, dass Quintus Camillus Justinus der Sohn eines angesehenen, durch und durch liebenswürdigen Senators war. Er war der jüngere Bruder meiner Frau und für gewöhnlich ihr Liebling. Alle sprachen in den höchsten Tönen von Quintus. Davon abgesehen, war er auch mein Liebling. Wenn man über ein paar Schwächen hinwegsah – kleine Marotten wie das Klauen der Braut seines eigenen Bruders oder der Rückzug aus einer ansehnlichen Berufslaufbahn, um nach Nordafrika zu verschwinden und dort Silphion anzubauen (das ausgestorben ist, was ihn aber nicht davon abhielt) –, war er ein netter Bursche. Helena und ich hatten ihn beide sehr gern.
    Vom Augenblick ihres Durchbrennens an hatten Claudia und Quintus ihre Schwierigkeiten gehabt. Die übliche Geschichte. Er war zu jung zum Heiraten, sie war viel zu erpicht darauf. Damals waren sie ineinander verliebt, was mehr ist, als die meisten Paare von sich behaupten können. Nach der Geburt ihres kleinen Sohnes hatten wir alle angenommen, dass sie ihre Probleme beiseiteschieben würden. Wenn sie sich scheiden ließen, würde man sowieso von ihnen erwarten, sich erneut zu verheiraten, was noch schlimmer ausgehen könnte. Justinus, der eigentliche Schuldige in ihrer stürmischen Beziehung, würde am meisten verlieren, denn das eine, was er mit Claudia erworben hatte, war der ungehinderte Zugriff auf ihr gewaltiges Vermögen. Sie besaß ein hitziges Temperament, wenn’s darauf ankam, und hatte sich inzwischen angewöhnt, ihre Smaragde bei jeder
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