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Deine Lippen, so kalt (German Edition)

Deine Lippen, so kalt (German Edition)

Titel: Deine Lippen, so kalt (German Edition)
Autoren: Amy Garvey
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schießt durch den Kopf, dass es so aussieht, als müsse er sich davon abhalten, die Hände auszustrecken, um mich zu berühren. Ich packe den kleinen Teil von mir, der sich genau das wünscht, in eine Schachtel und vergrabe sie ganz tief in meinem Hinterkopf. Es geht nicht anders.
    »Bist du bereit?«
    Ich möchte antworten, das hoffe ich, denn das wäre die ungeschminkte Wahrheit, aber stattdessen nicke ich so langsam und bedächtig, wie ich kann. »Das bin ich.« Endgültig mit dem Rumlügen aufzuhören verschiebe ich auf morgen.
    »Wie willst du ihn da hin bekommen?«
    »Ich habe einen Bannzauber.«
    Er nickt und das Haar fällt ihm in die Augen, als er den Blick auf den Boden senkt. Seine Füße sind nackt und gucken lang und blass unter seinen Hosenbeinen hervor, und sie wirken so ungeschützt, so verwundbar, dass mein Eispanzer Risse bekommt.
    »Ich habe die ganze letzte Nacht und heute Nachmittag an der Beschwörung gesessen. Sie ist ganz gut geworden, denke ich. Ich meine, so gut wie etwas dieser Art sein kann, wenn man bedenkt, was sie bewirken soll. Und ich habe alles, was ich brauche.«
    Als ich ungefähr halb mit meiner improvisierten kleinen Rede durch bin, hebt er überrascht den Kopf, aber zum Ende hin nickt er immer wieder, und noch nicht mal mir ist klar, wen ich hier eigentlich beruhigen will.
    »Erklärst du es mir?«
    Ich komme seinem Wunsch nach und setze mich ihm gegenüber auf das Sofa, sodass unsere Knie sich berühren. Es hilft, es ein letztes Mal durchzugehen, und mit jedem Schritt spüre ich, dass ich auf dem richtigen Weg bin, alle Teile fügen sich mit einer Folge geschmeidiger Klicks zu einem Ganzen.
    »Darf ich dich bitten, vorsichtig zu sein?«, fragt er, als ich fertig bin. Er stupst mein Knie mit seinem an. Oder haust du mich dann?«
    Ich stupse zurück und lächle. »Ich werde dich nicht vermöbeln.« Ich schlucke, suche nach den passenden Worten, so wie ich alle Bestandteile für die Beschwörung zusammengesucht habe. »Aber ich möchte, dass du weißt, dass ich das hier allein mache, weil ich es muss. Ich habe … diese Sache getan. Und niemand kann mir abnehmen, sie wieder in Ordnung zu bringen. Niemand sollte mir abnehmen, sie wieder in Ordnung zu bringen. Ich habe diese ungeheuren Kräfte, und ich muss herausfinden, wie man sie benutzt. Daran kannst du nichts ändern. Und du kannst mir auch nicht wirklich dabei helfen. Und ich tue das nicht für dich, aber … ich würde mir gern vorstellen, dass du mir den Rücken freihältst, so wie Jess und Darcia es heute getan haben.«
    In der Wohnung ist es still, bis auf das leise Summen des Kühlschranks und die Motorengeräusche der vorbeifahrenden Autos, die von draußen hereindringen. Einen Moment wirkt Gabriel so regungslos wie Danny, der Blick seiner grauen Augen ist unverwandt auf mein Gesicht gerichtet.
    Und ich sehne mich so sehr danach, diese Augen zu studieren, irgendwann nach heute Nacht, zu entdecken, wie sie aussehen, wenn er lacht oder wenn er mich küssen will oder wenn er kurz davor ist einzuschlafen oder gerade etwas liest, das er nicht aus der Hand legen kann. Ich möchte ihn so kennen, wie ich Danny gekannt habe, in- und auswendig, und das ist beängstigend. Mehr noch, der Gedanke macht mich panisch, denn das letzte Mal, als ich zugelassen habe, so zu fühlen, habe ich mich in einem Kaninchenbau wiedergefunden und aus jedem Fläschchen getrunken, ohne auch nur einmal über die Konsequenzen nachzudenken, nur damit ich mich an etwas klammern konnte, das nicht mir allein gehörte.
    Liebe ist aber nun mal keine Einbahnstraße. Ich bin nur ein bisschen nervös, mich wieder hinters Steuer zu setzen.
    »Alles, was ich möchte, ist, dass es dir gut geht«, sagt er schließlich und ich muss mich vorbeugen, um jedes Wort zu verstehen, weil seine Stimme so leise geworden ist. »Nein, das ist eine Lüge. Das ist nicht alles, was ich will. Aber es ist das Wichtigste. Es ist nur … ich bringe gerne Dinge in Ordnung. Und wenn man in jemanden hineinsehen kann, wenn man weiß, was derjenige braucht, ist es schwer, es ihm nicht zu geben. So wie bei meiner Mom, als sie im Sterben lag. Alles, was sie wollte, war, dass mein Dad diese eine Sache zu ihr sagte. Dass er ihr dieses eine Versprechen gab.« Er unterbricht sich, um sich zu räuspern, und obwohl ich nichts lieber täte, als die Hand nach seiner auszustrecken und sie fest in meine zu nehmen, warte ich einfach nur ab, dass er seine Geschichte zu Ende erzählt. Ich kann ihm bei dem
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