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Deine Lippen, so kalt (German Edition)

Deine Lippen, so kalt (German Edition)

Titel: Deine Lippen, so kalt (German Edition)
Autoren: Amy Garvey
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gewaltig, ein Berg aus Trauer und Reue und mehr als nur einem bisschen Angst, und ich sage mir, dass es vermutlich besser ist, ihn zu besteigen, wenn die Zeit dafür reif ist, anstatt mir schon jetzt auszumalen, wie es wohl sein wird.
    Ich weiß, Mom hat mich daran erinnert, dass morgen Schule ist, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich morgen früh nicht aus dem Bett kommen werde, es sei denn, jemand treibt eine Viehherde durch mein Zimmer. Und hat so was wie einen Raketenstart hinter unserem Haus als Backup.
    Es ist kalt und klar, während ich die Straße entlanglaufe, und der Mond ist so voll wie versprochen, eine kühle silberne Münze, die an einem Himmel aus dunklem Tuch hängt. Ich kuschle mich tief in meine Jacke, als ich um die Ecke zu Gabriels Block biege, atme den rauchigen Geruch nach trockenem Laub und sterbender Erde ein, und ich versammle all meine Kräfte in meiner Brust, wo ich sie spüren kann.
    Ich habe Mom nach dem Essen danach gefragt. Robin war schon auf ihr Zimmer gegangen und ich half, den Tisch abzuräumen.
    »Wie schaffst du es … zu fokussieren?«, sagte ich und wandte mich um, damit ich sie ansehen konnte. Sie runzelte die Stirn. »Deine Kräfte, meine ich. Wie kontrollierst du sie?«
    Einen Moment lang war ich nicht sicher, ob sie explodieren oder sich in ihr Schneckenhaus zurückziehen würde, wie sie es bisher stets getan hatte. Stattdessen stand sie mit einer Schüssel übrig gebliebenem Reis in der Hand da und studierte mein Gesicht.
    »Darauf gibt es keine einfache Antwort, Babe«, sagte sie schließlich und packte die Schüssel in den Kühlschrank, um sich dann neben mich zu stellen. »Es hängt davon ab, was du vorhast.«
    Darauf fiel mir keine Erwiderung ein, denn ich konnte ihr auf gar keinen Fall erzählen, warum ich meine Kräfte heute Nacht völlig unter Kontrolle haben musste.
    Als ich nicht antwortete, neigte sie den Kopf und biss sich auf die Unterlippe. »Es hängt damit zusammen, etwas genügend zu wollen, schätze ich. Fähig zu sein, den Verstand von allem anderen zu leeren und sich ganz auf die eine Sache zu konzentrieren, die man geschehen lassen will.« Sie warf einen Blick zum Küchentisch und guckte grimmig. Robins Kater stand dort und leckte fein säuberlich einen Teller ab. »Ungefähr so.«
    Sie holte langsam und tief Luft, sah den Kater ganz ruhig an und ich könnte schwören, dass ihre Augen dunkler wurden, der Blick flammender. Mit nach oben gewandter Handfläche hob sie langsam ihre Hand, und kaum dass ich mich versah, schwebte der Kater fauchend und mit weit aufgerissenen Augen über dem Küchentisch.
    Sie setzte ihn mit einem kleinen Klonk ab und grinste selbstzufrieden. »War es das, was du gemeint hast?«
    Ich konnte nicht anders, als zu lachen, und einen Moment strömte alles aus mir heraus – Verblüffung, Angst, Liebe, Trauer. Ich klang wahrscheinlich ein bisschen hysterisch. Aber es gelang mir zu nicken. »Ja, irgendwie schon.«
    Es war nicht wirklich alles, was ich hätte wissen müssen, aber es half. Von da an habe ich ständig geübt – konzentrieren, fokussieren, in mich hineinspüren und die Energie fühlen, sie zu einem dichten, glatten Ball ohne raue Kanten oder spitze Dornen formen. Ich möchte in der Lage sein, sie genau dorthin zu schleudern, wo ich sie brauche.
    Als ich die Stufen zu Gabriels Appartement hochsteige, bin ich so bereit, wie ich es nur sein kann. Das muss ich. Die Zeit läuft heute Nacht ab, zumindest für einen weiteren Monat, und ein voller Monat ist so weit entfernt von allem, was sein darf, dass ein ganzes Universum dazwischen liegt.
    Gabriel öffnet mir die Tür, nachdem ich einmal leise geklopft habe. Es ist elf Uhr und obwohl die gedämpften Geräusche eines Fernsehers aus dem Appartement im Erdgeschoss dringen, kommt es mir gefährlich vor, die nächtliche Stille zu stören.
    »Hey.« Er tritt zurück, um mich reinzulassen, und nimmt mir den Rucksack ab, als ich an ihm vorbeigehe. Er ist schwer gefüllt mit allem, was ich brauche, und ich habe nichts gegen diese Aufmerksamkeit, da er ihn einfach auf dem Tischchen neben der Tür abstellt. »So.«
    Es wäre noch weit untertrieben, die Situation als unangenehm zu bezeichnen, obwohl er akzeptiert zu haben scheint, dass ich Danny zum Friedhof mitnehmen und die Sache allein durchziehen werde. Jedenfalls versucht er nicht mehr, mich davon abzuhalten, und dafür bin ich ihm dankbar.
    Er lehnt an der Wand, die Hände in den Taschen seiner Jeans vergraben, und mir
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