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Dein bis in den Tod

Dein bis in den Tod

Titel: Dein bis in den Tod
Autoren: Gunnar Staalesen
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eine Mal.
    Ich fuhr fort: »Du hast mich belogen. Bei allem anderen hast du die Wahrheit gesagt. Alles andere habe ich überprüfen können, mehr oder weniger. Was Richard Ljosne anging, warst du es, die die Wahrheit gesagt hat. Er musste zugeben, dass er gelogen hatte, als ich ihn mit deiner Aussage konfrontierte. Aber als ich dich nach Gunnar Våge gefragt habe, da hast du gelogen. Warum, Wenche, warum?«
    Sie wandte ihr Gesicht ab und Hamre zu, als wolle sie jetzt gegen mich verteidigt werden und als erwartete sie von Hamre, dass er es täte. Sie sagte: »Ich verstehe nicht, warum Gunnar auf die Idee kommen sollte – warum er Jonas – umbringen sollte.«
    »Nein«, sagte ich. »Das verstehst du nicht und wir verstehen es auch nicht. Und das ist vielleicht im Grunde auch kein Wunder. Denn es war nicht Gunnar Våge, der Jonas umgebracht hat. Du warst es.«
    Sie drehte ihr Gesicht abrupt wieder mir zu, plötzlich flammend rot.
    Paulus Smith sagte: »Hör mal, Veum, hier sitzen …«
    Jakob E. Hamre lehnte sich steif gegen die Tischkante, voll konzentriert.
    »Du hast es getan«, sagte ich. »Du warst es, die ganze Zeit. Wir haben es nur nicht gesehen. Ich habe es nur nicht gesehen. Aber jetzt ist es ganz deutlich. Denn deshalb hast du gelogen.«
    »Wa-warum?«
    »Du hast gelogen, um zu verheimlichen, dass du mit Gunnar Våge zu tun hattest, dass du sogar bei ihm zu Hause warst und in seinen Schubladen wühlen konntest und das Messer finden, mit dem du Jonas umgebracht hast.«
    »Er hat es mir selbst gegeben. Gunnar …«
    »Ach ja? Warum? Heißt das, ihr habt geplant …«
    »Du verstehst überhaupt nichts, Varg. Ich glaube wirklich, du verstehst absolut gar nichts. Ja, ich habe das Messer von Gunnar bekommen, aber nicht weil – weil wir geplant haben … Sondern weil ich etwas haben sollte, mit dem ich mich verteidigen konnte, wenn – wenn Joker und seine Bande mich nicht in Ruhe ließen, wenn sie uns weiter … Ich – ich hatte es griffbereit in der obersten Schublade in der Kommode liegen, draußen im Flur – für den Fall, dass jemand einbrechen oder …«
    »Aber es ist niemand eingebrochen. Es war nur Jonas, der kam. Und ihn hast du umgebracht.«
    Sie stammelte: »D-das war sinnlos. Das war idiotisch, das hätte nie passieren dürfen, aber …«
    Hamre mischte sich mit seiner gedämpften, ausgeglichenen Stimme ein: »Erzählen Sie mal in aller Ruhe, Frau Andresen. Erzählen Sie uns einfach, was passiert ist.«
    Sie sah ihn fast dankbar an. Ich spürte, wie sich in mir alles zusammenzog und ich fühlte mich plötzlich unendlich einsam, so einsam wie ein Mensch sich überhaupt nur fühlen kann. Ich betrachtete wieder ihre verflochtenen Hände. So pflegten Liebespaare ihre Finger ineinander zu flechten, wenn sie versunken beieinander saßen. Aber sie war nicht in jemanden versunken und sie konnte nur ihre eigenen Finger miteinander verflechten.
    Dann erzählte sie: »Ich kam aus dem Keller, mit dem Marmeladenglas, und da – da hatte er sich schon aufgeschlos­sen. Ich war im ersten Moment etwas verärgert. Du wohnst hier nicht mehr, Jonas, sagte ich, du kannst dir hier nicht mehr einfach die Tür aufschließen. – Er sah ziemlich verdattert aus und dann fing er an, sich zu beklagen, er habe so wenig Geld, deshalb würde er so spät zahlen und so weiter. – Ich weiß nicht, was mit mir passierte, aber plötzlich sah ich rot. Plötzlich kam mir all die Trauer und Verzweiflung hoch, und mir wurde schwarz vor Augen. Und ich dachte daran, dass er mit seiner Untreue alles kaputtgemacht hatte, dass er schuld daran war, dass ich selbst – untreu geworden war – eine Todsünde begangen hatte. Ich – ich stand da mit dem Marmeladenglas in der Hand und warf es nach ihm. Es traf ihn an der Stirn, und ich sah, wie weh es ihm tat. Er – er war immer jähzornig, und jetzt schlug er mich. Er schlug mir ins Gesicht, sodass ich gegen die Kommode taumelte. Die Kante traf mich an der Hüfte, es tat furchtbar weh. Ich öffnete die Schublade, in der das Messer lag, und ich – ich schlug zurück, nach ihm, schlug mit – dem Messer. Es – es verschwand einfach in ihm, und ich … Er beugte sich nach vorn, mit einem verwirrten Ausdruck im Gesicht … Ich weiß nicht einmal, ob er das Messer gesehen hat. Was – was tust du, Wenche?, fragte er. Aber ich wollte nicht, dass er mich mit seinen vorwurfsvollen Augen ansah, also zog ich das Messer raus und stach noch mal zu und – noch mal. Er kam auf mich zu und seine Beine
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