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Deathkiss - Suess schmeckt die Rache

Deathkiss - Suess schmeckt die Rache

Titel: Deathkiss - Suess schmeckt die Rache
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das nicht bestätigt. Sie blickte in den Spiegel des Medizinschranks über dem Waschbecken und zuckte zusammen. Dunkle Schatten umgaben ihre geröteten Augen. Das kastanienbraune Haar war zerzaust und wirr vom unruhigen Schlaf. Feuchte Locken klebten an ihrer Haut, um Lippen und Augenwinkel zeichneten sich feine Sorgenfältchen ab.
    »Das Gesicht eines Engels mit dem Mundwerk des Teufels«, hatte ihr Bruder Neville einmal nach einem besonders heftigen Streit gesagt, als sie etwa vierzehn war.
    Aber nicht heute Nacht, dachte sie säuerlich, nahm einen Waschlappen aus einem offenen Regal, hielt ihn unter den Wasserstrahl und tupfte sich das Gesicht damit ab.
    Neville. Er fehlte ihr immer noch entsetzlich, und wann immer sie an ihn dachte, krampfte sich ihr Herz schmerzlich zusammen. Da Neville sieben Minuten nach seinem Zwillingsbruder Oliver das Licht der Welt erblickt hatte, war er ihr, Shannon, genau genommen altersmäßig am nächsten, denn sie war als das letzte von Patrick und Maureen Flannerys sechs Kindern knapp zwei Jahre später geboren worden. Wenngleich Oliver und Neville als Zwillinge einander auf besondere Weise verbunden waren, hatte doch auch sie sich Neville so nahe gefühlt wie sonst keinem ihrer Geschwister.
    Jetzt hätte sie Neville gern an ihrer Seite gehabt. Er hätte ihr das Haar gezaust, schief gelächelt und gesagt: »Du machst dir zu viele Sorgen, Shannon. Es war nur ein Traum.«
    »Und ein Anruf«, hätte sie eingewandt. »Ein gruseliger Anruf.«
    »Jemand hat sich verwählt.«
    »Mitten in der Nacht?«
    »Hey, irgendwo auf der Welt ist schon längst Morgen. Beruhige dich.«
    »Klar«, murmelte sie leise. Als ob das so einfach wäre. Sie hielt den Waschlappen noch einmal unters Wasser, wrang ihn aus und legte ihn sich in den Nacken. Das Pochen in ihrem Hinterkopf wurde stärker. Im Medizinschrank fand sie ein Röhrchen Ibuprofen, schüttelte zwei Tabletten in ihre Handfläche und nahm sie mit einem weiteren großen Schluck Wasser aus dem Hahn ein. Ihr Blick fiel auf das Röhrchen mit den Schlaftabletten im Regal unter dem Spiegel, die Dr. Brennan ihr vor drei Jahren verschrieben hatte. Kurz erwog sie, ein paar zu schlucken. Aber morgen früh – nein, später an diesem Morgen – konnte sie es sich nicht leisten, benommen oder träge zu sein. Sie hatte Trainingsstunden mit mehreren neuen Hunden angesetzt und sollte außerdem den Kaufvertrag für ihr neues Haus unterschreiben, eine größere Ranch. Zwar würden bis zum Umzug noch Wochen vergehen, aber der Vertrag war bereits ausgehandelt.
    Bei dem Gedanken an das Gut, das sie erwerben wollte, stiegen andere Sorgen in ihr auf. Erst letzte Woche, als sie die Grundstücksgrenze abschritt, hatte sie das Gefühl gehabt, dass sich jemand hinter den knorrigen Stämmen der schwarzen Eichen versteckte und sie beobachtete. Selbst Khan war ihr an diesem Tag gereizt erschienen. Nervös.
    Hör auf damit, wies sie sich selbst zurecht. Im Gegensatz zu den meisten Hunden, die sie abrichtete, zeichnete sich Khan nicht unbedingt durch ein sicheres Gespür aus. Niemand war ihr gefolgt, niemand hatte sie beobachtet. Sie befand sich schließlich nicht in irgendeinem Horrorfilm, verflixt noch mal. Außer ihr war niemand dort gewesen.
    Der Grund für ihre Nervosität war einfach, dass sie ihr gesamtes Erbe und all ihre Ersparnisse in die neue Ranch investierte. Wer wäre da nicht ein wenig angespannt gewesen? Ihre Brüder waren gegen den Plan und nahmen kein Blatt vor den Mund, wenn es darum ging, sie auf das Ausmaß ihres Fehlers hinzuweisen.
    »Das hätte Dad nicht gewollt«, hatte Shea ihr bei seinem letzten Besuch vorgehalten. Er stand auf der Veranda, rauchte eine Zigarette und sah sie an, als hätte sie den Verstand verloren. »Dad hat sein Leben lang gespart, jeden Cent dreimal umgedreht und klug investiert, und es würde ihm nicht gefallen, dass du deinen Anteil am Erbe für eine heruntergekommene, zugewucherte Farm vergeudest.«
    »Du hast sie noch nicht einmal gesehen«, konterte Shannon unbeirrt. »Und komm mir nicht mit solchen Sentimentalitäten. Dad hatte immer Vertrauen in meine Entscheidungen.«
    Shea bedachte sie mit einem düsteren, schwer zu deutenden Blick und sog heftig an seiner Zigarette. Er schien zu finden, dass sie ihren Vater überhaupt nicht gekannt hatte.
    »Dad hat mir immer den Rücken gestärkt«, setzte sie hinzu, nun doch ein wenig verunsichert.
    »Ich will’s dir ja nur sagen.« Er blies den Rauch aus und warf die Kippe in den
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