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David Trevellyan 01 - Ohne Reue

Titel: David Trevellyan 01 - Ohne Reue
Autoren: Andrew Grant
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gelegen. Habe ich seit Jahren. Kontoauszüge und Rechnungskopien werden noch dorthin geschickt, aber das ist auch schon alles. Seit sieben Monaten habe ich keinen Fuß mehr durch die Tür gesetzt. Davor waren es fünfzehn Monate. Zuhause, das ist für mich eine Reihe von Hotelzimmern geworden, in verschiedenen Städten, verschiedenen Ländern, eins nach dem anderen, fast ohne Unterbrechung. Die Erinnerungen an die einzelnen Orte verschwimmen. So ist es nun seit fünfzehn Jahren, und ich komme damit ganz gut zurecht. Trotzdem erinnere ich mich immer noch an das erste Hotel, in dem ich je übernachtet habe. Es war in Edinburgh, kurz nachdem ich das College verlassen hatte. Ich war pleite. Ein Getränkehersteller suchte Angestellte für Vertrieb und Marketing. Ich verstand weder von dem einen noch dem anderen etwas, aber sie zahlten gut, darum versuchte ich es und füllte die Formulare aus. Zwanzig Bewerber wurden in das Holiday Inn in der Nähe des Firmensitzes eingeladen, damit sie sich die besten fünf Kandidaten aussuchen konnten. Wir blieben eine Nacht dort. Als ich am nächsten Morgen auscheckte, wurde ich an der Rezeption gefragt, ob ich zufrieden gewesen sei. Ich sagte ja, abgesehen von der Arbeit. Gerade, als ich gehen wollte, hörte ich, wie jemand anderem dieselbe Frage gestellt wurde. Es war ein Mann namens Gordon aus Cambridge. Nur klang seine Antwort vollkommen anders. Er war ganz und gar nicht zufrieden. Seine Kissen waren zu weich gewesen, seine Handtücher zu rau und zum Frühstück hatte man ihm den falschen Honig serviert.
    Vielleicht waren es Kleinigkeiten, aber Gordons Beschwerden brachten mich ganz durcheinander. Ich konnte mich kaum wegbewegen. Jedes Wort kam mir vor wie ein Finger, der durch meine Haut in mein Innerstes pikt. Wie kam es, dass so ein blassgesichtiges Wiesel all diese Mängel bemerkt hatte, die mir vollkommen entgangen waren? Was war los mit mir?
    Während der ganzen Heimfahrt dachte ich darüber nach und kam schließlich auf die Lösung. Eigentlich war es ganz einfach. Es war mir mein ganzes Leben lang schon klar gewesen, Gordons Meckereien hatten es nur verdeutlicht. Im Endeffekt geht es darum: Man sieht, was man sehen will. Man kann sich entweder über das Positive freuen oder nach dem Negativen suchen. Es liegt ganz bei einem selbst.
    Ich hatte den einen, er den anderen Weg gewählt.
    Ich folge immer noch demselben Pfad, so weit wie möglich jedenfalls. Was mit ihm ist, weiß ich nicht. Den Job habe ich nicht bekommen.
    Ich liebe die Stadt bei Nacht. Ich ziehe sie dem Tag vor. Bei Dunkelheit ist ein größeres Spektrum an Menschen unterwegs, nicht nur Schaufensterbummler und Büroangestellte. Die Geräusche tragen weiter. Alles scheint dichter und persönlicher. Und wann immer man ihn braucht, ist es nie weit bis zum nächsten Schatten.
    Kaufmann fuhr schnell. Keiner der beiden Beamten sagte ein Wort. Abseits der Gasse waren die Straßen noch belebt, voller Autos und Taxis, Limousinen und Lieferwagen. Ein paar Menschen waren auch zu Fuß unterwegs. Überall hohe Gebäude aus Ziegel, Stein, Glas und Beton. Eins über dem anderen ragten sie auf und verschmolzen mit der Dunkelheit darüber.
    Die Fahrt dauerte nicht lange, kaum sechs Minuten. Die Polizeiwache befand sich nur ein paar Straßen weiter, und Kaufmann nahm den direkten Weg nach Nordwesten in Richtung Hudson. Vor einem achtstöckigen Gebäude mit Steinfassade in der Mitte einer Nebenstraße hielt er an. Im Fünfundvierzig-Grad-Winkel vom Bordstein parkten Streifenwagen und Zivilfahrzeuge in einem gleichmäßigen Muster, das an Fischgräten erinnerte. Wir stellten uns ans Ende der Reihe. Klein stieg aus und öffnete meine Tür. Ich rutschte aus dem Wagen, und er begleitete mich zum Ende eines Geländers, das den Gehweg von der Straße trennte. Kaufmann ging an uns vorbei, und wir folgten ihm zu den massiven, eisenbeschlagenen Holztüren in der Mitte des Gebäudes. Die Tür war rundherum mit großen Abschlusssteinen gefasst, und zu beiden Seiten hingen helle grüne Laternen in Metallhalterungen.
    Der Empfangsraum im Inneren war klein und beengt. Es roch nach Staub und Bodenpolitur wie in einer Schule. Die Wände waren in Apfelgrün gestrichen, eine Farbe, die angeblich beruhigen soll, und überall hingen Plakate. Auf etwa einem Viertel davon waren schwarz-weiße Phantombilder von Leuten zu sehen, die die Polizei befragen wollte, auf allen Übrigen standen pedantische Warnungen vor allen möglichen Arten von ungebührlichem
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