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David Trevellyan 01 - Ohne Reue

Titel: David Trevellyan 01 - Ohne Reue
Autoren: Andrew Grant
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sie.
    Die Wand links von uns war ebenso kahl wie die vor uns. Rechts befand sich eine Reihe von Zellen, insgesamt fünf, alle identisch. Vorne hatten sie Gitterstäbe, in deren Mitte sich eine Tür mit einem schweren Schloss befand. Die Seitenwände bestanden aus grauem, acht Zentimeter dickem Metall mit breiten Nietenköpfen. Ich erkannte, dass die graue Wand, die man im Vorraum sehen konnte, die Wand der ersten Zelle sein musste. Die Rückwand der Zellen war eine weißgetünchte Mauer. Überall sah man Graffiti, die mehr gekratzt als geschrieben oder gemalt waren. Parallel zu den Wänden standen Bänke aus Metall, die an den Boden geschraubt waren. Ansonsten gab es in den Zellen nur noch eine Toilette, deren Schüssel aus der hinteren Wand ragte. Auch sie war aus Metall – Edelstahl –, und keine der Toiletten hatte einen Sitz.
    Klein führte mich an den ersten vier Zellen vorbei, die alle besetzt waren. In der, die dem Vorraum am nächsten war, saß nur eine Person, ein junger Mann mit dreckigen, formlosen Klamotten, strähnigem, fettigem Haar und eingefallenen Gesichtszügen. Er stand gebeugt neben der Toilette und wirkte verängstigt und verwirrt. In der zweiten Zelle befanden sich fünf und in den beiden nächsten jeweils vier Leute, doch ich sah, dass die Tür der letzten Zelle offen stand. Sie lehnte ganz aufgeklappt an den Gitterstäben. Dort angekommen ließ mich Klein los, und Jackman übernahm die Führung. Er stieß mich in die Zelle hinein und so weit nach hinten, bis ich mit den Schienbeinen die Toilette berührte. Meine Nase sagte mir, dass es schon eine Weile her sein musste, seit sie das letzte Mal sauber gemacht worden war.
    » Sieh die Wand an«, verlangte Jackman. » Und bleib so. Wenn ich die linke Handschelle löse, legst du augenblicklich die Hand auf den Kopf. Und dasselbe, wenn ich die andere abmache, klar?«
    Ich antwortete nicht, aber er entfernte die Handschellen trotzdem.
    » Gut«, sagte er. » Jetzt bleib so stehen. Beweg dich nicht, bis du hörst, wie ich die Zellentür schließe, verstanden?«
    Ich lauschte, wie sich seine Schritte über den Zellenboden entfernten. Es hörte sich an, als ginge er rückwärts. Dann blieb er stehen, und die Tür schlug mit quietschenden Angeln zu. Schließlich hörte ich die Schlüssel klimpern, und die Schritte der beiden verhallten im Gang.
    Die Graffiti in meiner Zelle waren faszinierend. Sie bedeckten die Steinmauer vom Boden bis zur Decke. Die Gefangenen mussten auf den Liegen und sogar auf der Toilette gestanden haben, um noch den letzten Platz zu füllen. Ich sah Namen von Personen, von Gangs, von Sportteams einschließlich eines englischen Fußballvereins, politische Slogans, Beleidigungen der Polizei, Meinungen zu Rockbands und Filmstars. Aber hauptsächlich waren es Obszönitäten, die kaum noch Sinn ergaben, da sie aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen meist in unbeholfenen Reimen daherkamen.
    Ich wartete noch ein paar Minuten, dann ließ ich mich auf einer der Bänke nieder und versuchte, etwas zu schlafen. Das war nicht einfach, weil sich die großen Nieten in meinen Rücken und meine Schulterblätter bohrten, sodass ich an der Wand auf und ab rutschte, bis ich eine erträgliche Position für meinen Rücken gefunden hatte. Dann fiel, wohin auch immer ich in diesem beengten Raum sah, mein Blick auf das eine oder andere kalte, harte Objekt: die Toilette, die andere Liege, die Gitter, den Boden, die Wände. So hatte ich mir meine letzte Nacht in New York ganz und gar nicht vorgestellt. Ich hatte hart gearbeitet, und ich hatte gute Arbeit geleistet, ich hatte eine Nacht ganz für mich allein verdient. Andererseits, wären die letzten paar Tage nur ein bisschen anders verlaufen, dann hätte ich diese Nacht wahrscheinlich nirgendwo mehr verbringen können. Vermutlich war das hier nur ausgleichende Gerechtigkeit.
    Unwillkürlich tastete ich meinen Hinterkopf ab. Er tat immer noch weh. Zwei Nächte zuvor hatte jemand, mit dem ich zusammenarbeitete, einen Fehler gemacht. Sie hatten sich verkalkuliert, und ich hatte den Preis dafür zahlen müssen. Ein Stück umherfliegendes Glas hatte mich getroffen. Ein großes Stück. Es war durch meine Haut direkt bis auf den Knochen gedrungen. So unangenehm meine augenblickliche Situation also auch war, ich musste zugeben, dass es noch wesentlich schlimmer hätte kommen können. Schließlich war es nicht das erste Mal, dass ich eingebuchtet worden war. Das war Berufsrisiko. Und für eine Zelle war diese
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