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David Trevellyan 01 - Ohne Reue

Titel: David Trevellyan 01 - Ohne Reue
Autoren: Andrew Grant
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hier gar nicht so schlecht. Vielleicht ein bisschen klein und ziemlich spartanisch, aber relativ sauber. Und zumindest war ich hier drin allein. Es gab nichts Schlimmeres, als mit einer Bande ungewaschener Proleten zusammengepfercht zu sein, die aus dem Mund stanken und einem auf den Füßen herumtrampelten. Außerdem würde ich nicht lange hierbleiben, im Gegensatz zu den hoffnungslosen Fällen, die man an solchen Orten für gewöhnlich findet. Traurige, verzweifelte Gestalten, die sich an die irrige Vorstellung klammern, sie müssten den Rest ihres Lebens nicht im Gefängnis verbringen. Für mich war es eindeutig nur ein zeitlich begrenztes Problem. Ein Schlagloch in meinem Lebensweg. Nichts weiter.
    Denn in ein paar Stunden würde ich in einem Flugzeug nach London sitzen.

3
    Als wir das erste Mal umzogen, ging ich noch in den Kindergarten.
    Es hatte mit dem Job meines Vaters zu tun. Er arbeitete für die Regierung, und die hielt es aus irgendwelchen Gründen für notwendig, uns von Birmingham nach London zu verpflanzen. Von einer großen englischen Stadt in eine andere. Eigentlich keine große Veränderung. Doch für einen Sechsjährigen war es eine andere Welt.
    Im Nachhinein betrachtet war Gewalt unvermeidlich. Ich hatte einen anderen Akzent als die anderen. Einen anderen Wortschatz, war andere Rituale und Gebräuche gewohnt. Schließlich waren es die Siebzigerjahre. Rückblickend besehen war das, was geschehen war, als ich zum ersten Mal auf den Schulhof kam, keine große Überraschung. Einen Augenblick lang stand ich allein da, sah mich um und versuchte, mich zu orientieren. Dann sah ich eine Gruppe von Kindern auf mich zukommen. Es waren etwa zwanzig, alles Jungen. Zuerst freute ich mich, denn ich glaubte, sie wollten mit mir spielen oder sich mit mir anfreunden. Zwei von ihnen kamen direkt auf mich zu, der Rest versammelte sich um uns und bildete einen Kreis. Und dann begannen sie zu rufen.
    Prügel! Prügel! Prügel!
    In so einer Situation hatte ich mich zuvor noch nie befunden. An meiner alten Schule war es friedlich und fröhlich zugegangen. Ich hatte keine Erfahrungen, nach denen ich mich in dieser Situation hätte richten können. Nur Instinkt. Und der sagte mir, dass ich dieser Gefahr schnell begegnen musste, bevor sie außer Kontrolle geriet. Also konzentrierte ich mich auf die beiden Jungen vor mir. Sie waren die Größten, offensichtlich ein oder zwei Jahre älter als die anderen. Einer war ein wenig größer als der andere und auch etwas breiter. Das machte ihn zu der größeren Bedrohung, daher entschied ich, dass er als Erster dran war.
    Ich war überrascht, dass ein einziger Schlag genügte, damit er sich blutend, schniefend und heulend auf dem Boden wälzte. Dann wandte ich mich seinem Kumpel zu, doch den konnte ich nicht schlagen, denn er war bereits weggerannt, zusammen mit dem Rest der kleinen Bande. Und niemals, bis ich die Schule verließ, kamen sie wieder in meine Nähe.
    Es war keine sehr gute Schule. Das war die einzige Lektion, die ich in der ganzen Zeit dort lernte.
    Aber ich kann mich nicht beschweren. Sie hat mir im Laufe der Jahre gute Dienste geleistet.
    Schritte hinter dem Gittertor weckten mich. Sie kamen in den Vorraum. Ich konnte drei Leute hören. Zwei gingen zielstrebig und zuversichtlich, die dritte Person schlurfte zögernd. Sie kamen näher, hielten dann an. Ich hörte Stimmen. Eine war die von Officer Jackman, der das Ritual mit dem persönlichen Eigentum durchzog. Die anderen kannte ich nicht. Ich schätzte die Zeit auf etwa halb drei Uhr am Montagmorgen. Wahrscheinlich hatte ich kaum zwei Stunden auf der harten Bank geschlafen.
    In zwei Zellen saß nur je ein Inhaftierter, in meiner und in der ersten. Wenn der Kerl in der ersten Zelle so zugedröhnt war, wie er aussah, dann würden die Beamten es nicht riskieren, jemanden zu ihm zu sperren. Was bedeutete, dass ich einen Zellengenossen bekommen würde. Ich seufzte und lehnte mich vor, um besser in den Gang sehen zu können.
    Als Erster erschien Jackman, hinter ihm mühten sich zwei weitere uniformierte Beamte mit einem Gefangenen ab. Er war ziemlich groß, mit knapp eins neunzig nur wenig kleiner als ich, aber unglaublich fett. Alles an ihm schien wie verzerrt. Beine, Arme, Brust, Nacken – alles war in die Breite gezogen wie ein normales Fernsehbild auf einem Breitbildschirm. Er trug enge, dunkelblaue Jeans mit weiß gebleichten Stellen und Armeestiefel, bei denen das Leder entfernt worden war, damit man die
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