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Das wunderbarliche Vogel-Nest

Das wunderbarliche Vogel-Nest

Titel: Das wunderbarliche Vogel-Nest
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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daß er sich vor einen Stummen ausgegeben; Es ist nicht zu glauben oder auszusprechen / sagte er ferners / wie michs verdrosse / daß ichs also stillschweigend verschlucken und in mich drucken muste; und diß ist auch mein gröstes Creutz und Anliegen gewesen / daß mir zugestanden / seit ich die Eselhaffte Roßarbeit der Taglohner verlassen / und mich durch Ergreiffung deß Sacks und Steckens in die unschätzbarliche Freyheit unsers Herren-Lebens gesetzt! Jch kriegte aber gleich darauf wiederumb ein wackere junges Mensch eines Korbmachers und Wannenflickers Tochter / die sich nicht allein besser als die erste in den Handel zu schicken wuste / sondern mir auch alle Jahr auffs wenigst eins: oder umbs ander Jahr zwey Kinder brachte / vermittelst deren ich viel Allmosen auffhube; über das ersonne sie einen behenden Fund Geld zu machen / wann es sonst schwerlich zu bekommen war / nemlich Winters zeiten / wann wir vor ein Ort kamen / zog sie sich in höchster Kälte allerdings nackend auß und liesse Kinder und Kleider bey mir / in solcher Gestalt erhielte sie offt auf einen Tag vor einen / zween oder drey Gulden Kleider / je nachdem sie barmhertzig Weiber-Volck antraff / daß sich vor sie schämete / welches mir trefflich zu baß kam / und manche fette Supp zuschantzte.
    Wie diese ihre Stückgen untereinander so erzehlten / kamen zween Capucciner dorther / welchen die Bettler die Ehr nicht anthäten / ihrentwegen auffzustehen und ihnen etwas abzuheischen; Jch schetzt wol / weil sie wusten / daß sie sonst nichts als Agnus Dei hinweg zu geben haben / deren sie aber keine begehrten / der eine war ein alter Pater , und der ander ein junger Cleric ; Jch verliesse die Bettler / und marchirte mit diesen / weil sie meine Straß giengen / zu vernehmen / was doch sie vor einen Discurs miteinander unter Wegs haben mögten; aber ich hörete so viel / als wann ich mit zweyen Stummen gegangen wäre; ausser daß sie vor einem Flecken zusammen niedersassen / und ihre Horas miteinander beteten.
    Jndessen gedachte ich an meine liederliche Bettler / Vaganten und unnütze Landstürtzer / mit denen unser Teutschland gleichsam überschwämt ist; Jch machte allbereit Rathschläg / wie ich mit ihnen verfahren: ihren Orden zu Nutz deß Vatterlands emploirn : und was ich ihrentwegen auff dem Reichstag proponirn wolte / wann ich einmal ein Reichs-Fürst würde; Jch lase die gesunde aus ihnen zu Soldaten / das Vatterland zu beschützen / und den Türcken zu bekriegen / und bauete schon Zuchthäuser und Werckstätte in meinem Lande / das ich im Sinn besasse / worinn ich solche Anstalten vor die übrige zu machen gedachte / daß beydes Taube und Stumme / Blinde und Lame darinnen arbeiten und nicht allein ihr Brod vor sich selbst verdienen: sondern auch die übrige Armselige Krüppel ernehren: ja noch darüber hin alle Jahr ein zimlichen Uberschuß zu deß gemeinen Wesens Nutz vorschlagen und erübrigen könten; damit das Lumpen-Gesindel abgeschafft: GOtt selbst durch ihr rohes Leben nicht mehr erzörnet: der Landmann durch ihren grossen Uberlauff nicht mehr molestirt ; und ein so beschaffene Ordnung gemacht würde / die GOtt wohlgefällig und den Menschen nutzlich seyn solte.
    Aber mitten in solchen Gedancken gedachte ich gar nicht daran / daß ich selbst ein ärgerer Maußkopff war / als die Bettler; sintemal ich damals vorhatte / vermittels meines Vogel-Nestes andere ehrliche Leute unsichtbarer weise zu bestehlen / und mich selbst zu bereichern; hätte ich aber daran gedacht / so hätte ich ohne Zweiffel mit jener Weibsperson / deren die Hand im Sack erwischt wurde / als sie ein andere ihr Untergebene umb ihr Verbrechen capituliren solte / unverholen gesagt und geklagt; Ach! wir seyn leider alle (Gott erbarms) brechhaffte Menschen.
    Aber genug hiervon / als die Cappucciner ihr Gebet gesprochen / da hatten auch meine Anschläg ihr Endschafft / derowegen gieng ich mit ihnen in den Flecken / zu sehen / was es bey ihnen auff ihr andächtigs Gebet vor ein Convivium setzen würde; aber sie kehreten nicht im Wirthshause ein / sondern setzten sich unter die Linde / die auff dem Platz zwischen der Kirchen / dem Pfarrhof und dem Wirthshauß stunde / ihre von grosser Sommers-Hitze abgemattete Glieder ein wenig im Schatten zu erquicken; Solche Ruhe nahm ich ebenmässig an / und als ich mich kaum recht nieder gesetzt / kam die Pfarrerin aus dem Pfarrhof / warhafftig ein schönes junges Weibgen; welche aber / wie ich hernach vermerckte / eben so einfältig als
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