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Das wunderbarliche Vogel-Nest

Das wunderbarliche Vogel-Nest

Titel: Das wunderbarliche Vogel-Nest
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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könte er nicht wissen / zu welcher auß den Christlichen Religionen er sich wenden solte / sintemal sich jede rühmet / sie sey die beste; da legen die Lutherische nicht allein täglich einander selbst in den Haaren / sondern auch stätig wider die Calvinisten oder Reformirte zu Feld / und würden niemal einig gesehen / als wann es auff die Catholische loß gieng / gleich wie auch der Pater und Pfarrer jetzunder vor einen Mann wider ihn stehen wolten / dahingegen die Catholische alle andere Religionen bestritten / und allein die ihrige vor die beste hielten / und ob gleich der Pater und Pfarrer dem Juden erwiesen / daß / gleich wie vor alters Phariseer / Saduceer und Esseer unter ihnen gewesen wären / also gebe es noch täglich unter den heutigen Juden und ihren Cochams zerspaltene Meynungen / welche zwar bisweilen durch Auffsätz und erfundene Mittel-Weg besagter Cochams beygelegt / dardurch aber der Sach mit nichten geholfen / noch ihre Religion gebessert / sondern vielmehr durch Menschen-Satzungen verbösert / und nimmermehr zu wegen gebracht würde / daß sie ihr Gesetz hielten / wie es Moyses zu halten gebotten / der Jud hingegen beharrete hartnäckig darauff / daß er zuvor die Christen einig sehen müste / ehe er sich zu ihnen zu tretten entschliessen könte / die mutir ung der Religion sey ein grosses Werck / daran die Seligkeit gelegen / und deßhalben nicht so leichtlich / und ohne reiffen Vorbedacht zu wagen.
    Die Disputationen , die zwischen dem Pater und Pfarrer vergangen / waren so unterschiedlich / so variabel , und ihrer so viel / daß ich sie seyther alle biß auff nachfolgenden lächerlichen Schick vergessen, als wir durch das Trierische marchirt en / giengen wir einem Bild-Stock vorbey / vor welchem der Pater nicht allein die Kapp ruckte / sondern auch die Mutter unsers Erlösers kriechend mit einem Ave Maria grüste; kaum in einer halben Stund hernach kamen wir zu einem Galgen / der mit einem Dieb gezieret war / und als wir denselben passirt hatten / sagte der Pfarrer zum Pater , wie kompts Herr Pater , daß ihr allhier nicht auch niderknyet? der Galgen und der Bild-Stock seynd ja einerley Holtzes / der Pater antwortet / berichtet mich zuvor einer andern Frag / so will ich euch auch der eurigen bescheiden / ich sehe daß ihr ein Weib habt / die werdet ihr ja auch / wie andere Ehemänner thun / küssen? Warumb das nicht / antwortet der Pfarrer / ich gib euch nicht unrecht / sagte der Pater , aber sagt mir / küsset ihr sie nicht gemeiniglich auff den Mund? der Pfarrer antwortet / das verstehst sich / wo sonst anders hin? es ist schon recht / sagte darauff der Pater , aber warumb küsset ihr sie nicht auch in Hindern / dann derselbe ist ja mit dem Mund eines Leders / gleich wie der Bildstock und der Galgen einerley Holtzes seynd / zwar wäre es dem jenigen auch kein Schand / welcher nach deß Lobwürdigen Käisers Caroli Quinti Gewohnheit den Hut abzöge / wann er bey einem Galgen vorüber passir te / und sagte mit allerhöchst-gedachtem Käiser / Salve ô Sancta Justitia , wir musten alle hierüber lachen / biß auff den Pfarrer / welcher da bestund wie Butter an der Sonnen / und vielleicht noch nicht gewust / daß einem in beschaffenen Begebenheiten pflegt geantwortet zu werden / wie er gefragt.
    Von dieser Zeit an stellete sich das disputir en ein / und wir verfolgten unsere Räis miteinander den Rhein hinauff / der Pfarrer verblieb zu Bacherach bey seines Weibs Befreundten zuruck / und der Jud zu Mäintz / wir aber kamen miteinander ohne Anstoß zu Straßburg an / allwo wir ein Tag oder 4. außruheten / und uns die delicate Salmen auß dem Rhein / neben dem edlen Elsasser Wein nach Nothdurfft geschmacken liessen / und diß war der erwünschte Ort vor mich / auch von der übrigen Gesellschafft abzuscheiden.
    Der Pater und sein Frater gaben mir das Geleyd biß nach Kehl / und vermahnte mich / so lang wir auff der Metzger Au giengen / ohne auffhören / ich solte auff dem angetrettenen Weg der Gottseligkeit verharren / als wir aber mitten auff die Rhein-Bruck kamen / zog er das Genist auß dem Ameyshauffen hervor / so er zu Utrecht von mir empfangen / zeigte mir dasselbe / umb zu sehen / daß mein Sigill / damit ichs verpitschirt / noch unzerbrochen / und sagte / daß er kein besser Mittel wüste / diese schädliche Kunst / die mich so schändlich verführt hätte / von dem Erdboden hinweg zu vertilgen / als daß er den Bettel miteinander in Rhein werffe; ich wars wol zu frieden / er aber
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