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0656 - Der Blutpriester

0656 - Der Blutpriester

Titel: 0656 - Der Blutpriester
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Später, als er die Kutte abstreifte und etwas ratlos dastand, wandte sich einer der anderen an ihn. »Du siehst ziemlich blaß aus«, sagte er. »Es war wohl das erste Mal, daß du jemanden getötet hast, amico ?«
    »Sieht man mir das an?« murmelte Mansoni.
    »Was hast du eigentlich erwartet, als du dich dem Feuer des Heiligen Blutes angeschlossen hast? Alles hat seinen Preis, auch die Macht. Du hast heute angefangen, die erste Rate dieses Preises abzubezahlen.«
    »Ich hatte nicht damit gerechnet, daß ich das Messer führen müßte«, sagte Mansoni leise. »Ich dachte, das macht der Priester selbst.«
    »Jeder von uns vollzieht das Opfer. Einer heute, der andere morgen, der nächste übermorgen. Das ist eine verbindende Gemeinsamkeit.«
    »Du hast auch getötet?«
    Der andere, ein blonder Mann, der eher aussah wie ein Wikinger auf Raubzug denn wie ein typischer Italiener, sah ihn nur wortlos an.
    »Ich dachte, es wäre nicht echt«, murmelte Mansoni.
    »Mit Gummimesser wie im Karneval oder auf dem Kinderspielplatz, wenn die Zahnspangenindianer die Pampers-Cowboys massakrieren, wie?« erwiderte der Blonde spöttisch. »Du wirst dich daran gewöhnen müssen. Es gibt kein Zurück mehr.«
    Mansoni starrte hilflos auf seine blutverschmierte Kutte. Der Blonde hatte seine längst zusammengerollt und begann sich anzukleiden. Er sah sich um; die anderen Anhänger des Feuers des Heiligen Blutes hatten sich längst umgezogen und waren verschwunden, einer nach dem anderen. Man pflegte außerhalb der Sekte keinen Kontakt. Man traf sich zu den mörderischen Ritualen. Man kannte sich zwar vom Sehen, aber nicht unbedingt kollegial oder privat.
    »Verdammt, zieh dich an und mach, daß du von hier wegkommst«, drängte der Wikinger-Typ. Mit fahrigen Bewegungen griff Mansoni zu seinen Sachen.
    »Wie kommst du nach Hause?« fragte der Blonde. »Bist du mit dem Auto hier?«
    Mansoni nickte, während er sich anzog.
    »Kannst du fahren?« hakte der Wikinger-Typ nach. »Ich kann dich nach Hause bringen. Dein Auto lassen wir abholen.«
    »Warum willst du das für mich tun?« erkundigte sich Mansoni mißtrauisch. »Wir kennen uns überhaupt nicht. Und ich bin ein Mörder.«
    »Wie alle Anhänger des Feuers des Heiligen Blutes«, erwiderte der Blonde trocken. »Wie ist es, glaubst du, du kommst allein klar, oder soll ich dir helfen?«
    »Wenn es dir nicht zu viele Umstände macht«, murmelte Mansoni.
    »Dann hätte ich es dir nicht angeboten. Wie heißt du übrigens?«
    Mansoni nannte seinen Namen. »Und du?«
    »Teodore Eternale.«
    ***
    Eine Stunde später saßen die beiden Männer zusammen in Mansonis Wohnung, die klein und teuer mitten in Roms Innenstadt lag, in der achten Etage mit Blick auf die Smogwolken über der Stadt, die dafür sorgten, daß jahrtausendealte Artefakte und Bauwerke innerhalb kurzer Zeit verfielen; die Restauratoren kamen kaum mit der Arbeit nach, die »Ewige Stadt« für das »Heilige Jahr« 2000 bereitzumachen.
    Mansonis Wohnung war auch ziemlich restaurierungsbedürftig. Aber offenbar war das für den Vermieter ein Fremdwort.
    Mansoni zeigte sich als Kettenraucher, der eine Zigarette an der anderen anzündete und die Bude innerhalb kurzer Zeit mit grauem Nebel ausfüllte. Außerdem trank er einen Grappa nach dem anderen. Der Wikinger-Typ, der sich als Teodore Eternale vorgestellt hatte, blieb bei aqua minerale. »Bei so einem Auto würde ich auch keinen Schnaps riskieren, um die bella macchina nicht kaputtzufahren«, lobte Mansoni ihn mit allmählich schwer werdender Zunge. »Was machst du eigentlich, Teodore, daß du dir so ein Auto leisten kannst?«
    Unten vor dem Haus stand ein Rolls-Royce Silver Seraph.
    Eternale lächelte und antwortete nicht.
    Mansoni hob die Brauen. »Eigentlich«, erinnerte er sich, »dürften wir gar nicht hier zusammensitzen.«
    »Warum nicht?« fragte der Blonde stirnrunzelnd.
    »Es ist verboten, weißt du das nicht?«
    Eternale lächelte erneut.
    »Es ist nicht verboten, daß man sich kennt und zusammensitzt, oder? Zumindest privat. Es ist nur einem Mitglied des Feuers des Heiligen Blutes verboten, ein anderes Mitglied des Feuers des Heiligen Blutes zu kennen und sich mit ihm zusammenzutun. Was, wenn beide nicht wissen, daß jeweils der andere diesem Glauben ebenfalls angehört? Immerhin ist es ja auch verboten, in der Öffentlichkeit davon zu reden. Und wir sitzen eben privat hier, als Teodore und Enzo, nicht als Anhänger des Feuers.«
    »Aber wir sind doch nach dem Ritual
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