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0090 - Satans Doppelgänger

0090 - Satans Doppelgänger

Titel: 0090 - Satans Doppelgänger
Autoren: Hans Wolf Sommer
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»Nein, wirklich nicht, Herr! Dieser Spiegel ist unverkäuflich. Aber sehen Sie doch mal hier… diesen herrlichen Krug. Er ist schon sehr alt. Mein Großvater…«
    Chris Stigwood unterbrach den alten Indianer mit einer herrischen Geste. »Versuch gar nicht erst, mir hier irgendwelchen Ramsch einzureden, Mann. Ich bin nur an dem Spiegel interessiert, verstehst du?«
    Bill Fleming lächelte. Er verstand den Wunsch seines Begleiters, diesen Spiegel zu erwerben, durchaus. Und er verstand auch die Weigerung des Pueblobewohners, sich von dem Objekt zu trennen.
    Es war wirklich ein selten schönes Stück, ein außergewöhnliches Stück. Mehr als zwei Yard hoch, etwa halb so breit. Selbst hier im Halbdunkel des Hausinneren blitzte und blinkte die Scheibe wie tausend Edelsteine. Noch beeindruckender war der Rahmen. Er bestand aus Holz, aus geschnitztem Holz. Und vor allem die Schnitzereien waren es, die etwas Besonderes darstellten. Ungewöhnliche Schnitzereien, weder Mensch noch Tier darstellend, sondern seltsame, unerhört detailliert herausgearbeitete Ornamente. Ornamente war vielleicht nicht der richtige Ausdruck. Es handelte sich mehr um ineinander verschlungene Symbole, die beinahe wie eine Schrift erschienen, eine Schrift allerdings, mit der selbst der Fachmann Bill Fleming nichts anfangen konnte.
    Bill war Kulturhistoriker, der sich mit den kunstgewerblichen Erzeugnissen der Pueblos-Indianer auskannte. Deshalb hatte ihn Chris Stigwood als Berater mit auf diese Reise genommen. Stigwood besaß in New York eine bekannte Kunstgewerbehandlung, die sich bei den oberen Zehntausend größter Beliebtheit erfreute. Mehrmals im Jahr fuhr Stigwood über Land, um originelle Objekte für sein Geschäft zu ergattern. Die Pueblos des Rio-Grande-Tals waren in dieser Beziehung besonders ergiebig. Ihre handwerklichen und künstlerischen Fertigkeiten waren imponierend. Das, was sie töpferten, flochten oder webten, konnte man oft genug als kleine Meisterwerke bezeichnen.
    Dieser Spiegel hier jedoch schlug alles, obgleich er in keiner Weise typisch war für die sonstigen Arbeiten der Eingeborenen. Mit Holzschnitzereien beschäftigten sie sich eigentlich gar nicht. Und die Verarbeitung von Glas war ebenfalls nicht ihr Metier. Bill zweifelte daran, daß der Spiegel in diesem Dorf hergestellt worden war.
    »Also, Alter, wie ist es?« drängte Stigwood. »Ich gebe dir hundert Dollar dafür, okay?«
    Der Indianer mit dem lederhäutigen, wettergegerbten Gesicht schüttelte den Kopf. Bill schätzte sein Alter auf mindestens siebzig Jahre. Wahrscheinlich war er sogar noch älter.
    »Nein, wie ich schon sagte…«
    »Okay, Zweihundert. Aber das ist wirklich mein letztes Wort, du alter Halsabschneider!«
    Aber auch mit diesem Angebot konnte er den alten Mann nicht locken.
    »Bitte«, sagte er in seinem stark akzentuierten Amerikanisch, »ich kann den Spiegel nicht verkaufen. Selbst wenn ich wollte. Er gehört meinem Clan. Seit langer, langer Zeit schon. Er muß hierbleiben, hier in Pueblo. Wenn er das Dorf verläßt, geschieht Schreckliches. Furchtbares Unglück wird…«
    Der Indianer schwieg und schloß die Augen. Eine grauenhafte Vision schien ihn zu plagen, denn seine Lippen zitterten regelrecht und die Lider zuckten.
    Bill hatte plötzlich ein ganz komisches Gefühl. Der alte Mann machte ihnen wirklich nichts vor, beabsichtigte nicht, lediglich den Preis hochzutreiben. Seine Sorge war echt.
    »Kommen Sie, Chris«, sagte er zu Stigwood. »Lassen wir dem guten Mann sein Heiligtum. Er scheint zu wissen, wovon er spricht.«
    Der großgewachsene Geschäftsmann mit dem schmalen, scharfgeschnittenen Gesicht, das unwillkürlich an einen Geier denken ließ, wollte davon nichts wissen.
    »Quatsch!« sagte er. »Furchtbares Unglück… wenn ich diesen abergläubischen Unsinn schon höre. Ich will diesen Spiegel!«
    Und flüsterte, nur für Bills Ohren bestimmt, fügte er noch hinzu: »Mensch, Fleming! Für dieses Ding hätte ich schon einen Kunden. Der gibt mir glatte zweitausend Bucks dafür. Die kann ich mir doch nicht entgehen lassen, oder?«
    »Ich weiß nicht so recht, Chris…!«
    »Aber ich!«
    Stigwood wandte sich wieder dem Indianer zu. »Okay, Mann — dreihundert! Aber dafür kriege ich diesen Krug da noch als Zugabe.«
    »Tausend!«
    Fleming und Stigwood fuhren herum, denn die Stimme war von hinten gekommen.
    Ein zweiter Indianer war auf den Plan getreten. Er stand noch draußen auf der Außenleiter und schickte sich gerade an, das
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