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Das wunderbarliche Vogel-Nest

Das wunderbarliche Vogel-Nest

Titel: Das wunderbarliche Vogel-Nest
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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ihnen gesessen / als sie eine Gutsche voll räisender Leute höreten kommen; auff Karges / sagten sie zu einem Alten / jetzt ists an dir die Schatzung einzufordern; derselbe Karges war auch nicht faul / sondern thät sobalden die Augen zu / und liesse sich durch einen jungen Knaben an einem Stecken an die Strasse führen / da er durch ein jämmerlich und erbärmlich Geschrey von den Vorüberräisenden ein paar Batzen heraus pressete; und als er wieder zu der Compagni kam / war ihrer aller Wunsch / daß sie ein rechtschaffene gute Maß Wein umb das eroberte hätten / weil ihre dritthalbmässige Flasch zu vernehmen gab / daß sie nicht mehr herumb reichen könte / einem jeden auff der Reige einen vollkommenen Trunck mitzutheilen / wiewol noch eine grosse Pfann gebachener Eyer dort stunde / die eine solche Convoy erfordert.
    Jch sahe sonderlich einer veralten Großmutter zu / die meines Darfürhaltens schon in ihrer Jugend diese Profession zu treiben gelernet / wie sie aus Meel / Eyerklar / Hirn / Blut und Grünspan eine Mixtur zurichtet / und einem Knaben einen Erbgrind daraus machte / nachdem sie ihm zuvor den alten biß auff die gesunde Haut abgewaschen: und den Haarboden auf ein neues der Gehörde nach abgeschoren hatte; So mein Kind sagte sie / du hast warhafftig jetzund so einen schönen Grind / daß man ihn nicht natürlicher mahlen könte! Gib nur Achtung daß du im beten nicht fehlest / wo du merckest daß es nicht Catholisch ist / da laß bey leib das Ave Mariæ aus / und heisch auch nicht umb unserer lieben Frauen willen / aber hingegen bete das Reich und die Krafft und die Herrligkeit an das Vatter Unser; wann du aber nicht weist / ob es an einem Ort Lutherisch oder Catholisch oder Calvinisch sey / und darffst auch nicht fragen / so gib Achtung auff die Bildstöck / Helgenhäußlein / und Creutz an den Wegen / seyn solche geziert oder in Ehren gehalten / da bete kecklich auff Catholisch / wo nicht / auff Luterisch und wann du eigendlich weist / daß du an einem Calvinischen Ort bist / so fang das Vatter Unser auch auff Calvinisch an / und sag Unser Vatter / etc. und nicht Vatter Unser wie es vor Alters der Brauch gewesen ist / dann die Leute geben ihren Glaubensgenossen noch so gern / auch noch so grosse Stücker / dahingegen mancher einen von widerwärtiger Religion nicht ansiehet / wann er schon des Allmosens zehenmal mehrers benöthiget wär als der Glaubensgenoß. Schaue nur zu / daß du vorsichtig und fleissig seyst / es wird dir besser bekommen als wann du einem Bauren d' Rosse hütest / oder selbst einen grossen Hauffen eigener Güter eroberste / und mit der Zeit besässest; dann solche machen ihnen selbst die sonst freye Gemüther ihrer Jnhaber zu Martyrern und gepeinigten Sclaven / und ihre Leiber zu leibeigenen Knechten derjenigen Herren unter deren Jurisdiction selbige gelegen; dahingegen du in unserem Orden die edle Freyheit / und mit derselbigen unter dem Deckmantel der Armuth in anderer barmhertzigen Leute Vermögen alles dasjenige reichlich besitzest und zu geniessen hast / was zu deines müssigen Lebens Auffenthaltung vonnöthen.
    Will dir irgend ein karger Hund nichts geben / so gehe vor eine andere Thür; Jst ein Land durch Krieg / Theurung / oder Sterbensläuffte verderbt / und also zu deiner Professium nicht bequem / so lauffe in ein anders / und lasse die so ihr Hertz dem Haus und Hof / den ansehnlichen / wohlgelegenen eigenthumlichen Gütern geschenckt / daheim darbey crepeliren / verderben / und sterben.
    Noch sonst trefflich viel solcher guten Lehren und Unterrichtungen gab die Alte diesem Knaben / also daß ich nicht glauben kan / daß ein Jäger mehr Fleiß anwendet einen jungen Wachtel-Hund / oder ein Signor Capitano seine Tyrones abzurichten; das Bübgen war auch der Art / daß es sich gern informiren liesse; und zwar wer wolte nicht / wann man einem nur von Faulheit / Freyheit und Müssiggang predigt?
    Andern Theils erzehlete einer dem alten Kerges / was massen er hiebevor wol 4. Jahr ein Stumm gewesen wäre / welche Art zu betteln ihme so wol zugeschlagen / daß er ein zimlich Stück Geld zusammen gebracht / welches ihm aber sein damalige junge Frau / deren er ohne Zweifel zu leicht gewesen / außgefischt hätte; Warauff er nothwendig die Sprach wieder annehmen müssen / seinem Weib nachzufragen / die er zwar bey einem jungen Spängler angetroffen / aber gleichwol nichts sagen dörffen / erstlich weil sie seine Ehefrau nicht gewesen / und dann damit sie ihn nicht verrathen /
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