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Das wunderbarliche Vogel-Nest

Das wunderbarliche Vogel-Nest

Titel: Das wunderbarliche Vogel-Nest
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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nicht darumb zuthun / wie ihr vermeinet / sonder umb die Leylachen / die seynd leyder entlehnet / solche morgen wieder zu geben.
    Hierüber erschrack die Mutter mehr als die Tochter über des Knechts Advisen erschrocken war / weil derselbe gehöret daß sie die Leylachen entlehnen müsten; wolte es derowegen wieder verzwicken und einbringen / was die Tochter verschnappt hatte / und sagte zu ihr: Ey du fauler Schleppsack / warumb hast du mirs nicht gesagt / so hätte ich dir ja ein paar aus dem Kasten thun können? Die gute Jungfer wolte sich entschuldigen / und sagte: ja wann ich auch gedacht hätte / daß drinnen gewest wären: worüber deß Junckern Knecht die Ohren spitzte / ich aber lachte / daß man mich im gantzen Zimmer hörete / und damit einen solchen grausamen Schrecken erregte / daß alt und jung / Weib und Jungfer / und in summa alles was gehen konte / zur Thür hinaus lieffe; Jch aber erzürnete mich über mich selbsten dermassen / weil ich meiner Person so liederlich vergessen hatte / daß ich in allem Zorn hingieng und der dortstehenden Wein-Kandten einen solchen Druck gab / daß kein Tropffen mehr darin verblieb / folgents schlich ich auch davon / und schraubte mich auff den Stall ins Heu / allwo ich demjenigen nachgedacht / was ich denselben Tag gehöret und gesehen; sonderlich verwundert ich mich höchlich / daß diese Leute / die einander doch heyrathen und zusammen in eine so nahe Blutfreundschafft tretten wollen / einander mit dergleichen gleißnerischen Falschheit / lügerhaffter Betrügerey und pralerischen Auffzügen hinters Liecht zu führen sich nicht scheueten; Hoho! gedachte ich / thun sie das sich selbst untereinander / wann sie eine unzertrennliche Freundschafft zwischen ihnen stifften wollen? wie werden sie dann erst diejenige tractiren / so mit ihnen zu thun haben / die sie gleichwol ihrer Verwandschafft nicht würdig achten? Jn solchen Gedancken brachte ich ein paar Stund zu / biß ich endlich darüber entschlieff.
    Den folgenden Morgen trieb mich mein Durst wiederumb ins Wonhaus / zu sehen / ob ich ihn etwan mit einem Trunck Wermuth-Wein löschen könte; dann ich hatte den Tag zuvor im Keller gesehen daß die Schloß-Frau / als ein verständige Haußhalterin / dergleichen gesunde Kräuter-Wein in kleinen unterschiedlichen Fäßlein im Vorrath hatte; Es gelunge mir auch glücklich / dann als die Köchin kam (welche zugleich auch die Stell einer Kellerin und Beschliesserin vertretten muste) etwas / ich weiß nicht mehr was / aus dem Keller zum Frühstück zu holen / wischte ich mit hinunter / liesse mich von ihr hinein sperren / und als sie mich beschlossen / werckte ich einen halben Nieren-Braten auf / der vorigen Abend auff dem Tisch gewesen: und entweder aus Kargheit von der Mutter / oder aus Bescheidenheit vom verhoffenden künfftigen Tochtermann nicht angewendet worden war; das schmeckte mir trefflich und machte mir nicht allein kein Gewissen / daß ich kühner war als Edelleute / ein so angenehmes Bißlein anzugreifen / sondern muntert mich noch darzu auff / mehr als zweimal soviel zu trincken / als ich im Sinn gehabt / oder mein Durst erfordert; Noch glücklicher aber war ich / indeme / daß die Köchin bald wieder kame / nicht zwar / mich wiederumb heraus zu lassen / (dann sie wuste ja nichts von mir) sondern mehr Victualien herauff zu holen / damit schlich ich durch / und hörte noch zu guter Letze / daß die Köchin zu dem allerdings geschändeten Braten sagte / daß dich der Ritt schitt / wer ist über dir gewest? die Katzen haben ja kein Messer! ach wie wird unser Frau thun? Aber darumb bekümmerte ich mich kein Haar / auch darumb nicht / ob der Heirath zwischen dem Junckern und der Damoisecken möchte fortgehen oder nicht / sondern zog meine Schuh wieder an / und wanderte zum Tempel hinaus / deß willens mich in eine grosse Stadt zu machen / wo es reiche Kauff- und Wechselherren gibt / ob mir vielleicht eine Gelegenheit anstunde / mit einem solchen sein überflüssig Geld zu theilen.

Ungefehr zwo Stund war ich gegangen / als ich eine Gesellschafft Bettler unweit neben der Landstrassen antraff / die ein Feuer angemacht hatten / und darumb sassen zu sieden und braten / warhafftig eine lustige Bursch: Aeusserlich ware sie wol elend und erbärmlich anzusehen / aber ihr frölich Gelächter / angebundene Geberden und freye Reden gaben mir die grosse innerliche Freyheit ihrer Gemüther zu erkennen / welchs mich dann auch zu ihnen lockte; Jch war kaum ein Viertelstündigen bey
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