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Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte

Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte

Titel: Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte
Autoren: Tommy Krappweis
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der man sich untereinander beweist, wer recht hat
die Unzuverlässigkeit von Campingmöbeln, egal ob selbstgebaut oder direkt vom Fachbetrieb
das grundsätzlich unzureichende Platzangebot

    Das Platzproblem begleitete uns überallhin. Wie oben schon erwähnt, nahm es in der Wohnung seinen Anfang. Dort drückte es sich in Form von künstlichen Dachschrägen aus oder durch einen seltsam erdrückend wirkenden Kasten über der Wohnungstür, der gefüllt war mit Schuhwerk quer durch alle Jahreszeiten.
    Doch besonders kam das Platzproblem im Vorfeld der Campingreisen zum Ausdruck. Obwohl, ich muss mich korrigieren, irgendwie ist es gar kein echtes Platzproblem. Es ist eher eine Art Obsession über das Thema. Mein Vater pflegte schon mehrere Tage vor der Abreise mit dem Packen zu beginnen. Er schiebt das bis heute auf meine Mutter, die ja immer so unglaublich viel hätte mitnehmen wollen. Ich argwöhne jedoch, dass er an der Flut von Kram nicht unschuldig war, wollte er doch auf jedwede Eventualität vorbereitet sein und zudem nichts zu Hause lassen, was potenziell geeignet war, um im Urlaub für »Spaß« zu sorgen.
    Außerdem glaube ich, dass mein Vater wirklich Freude hat am Einräumen. Bis heute ertappe ich ihn dabei, wie er Stifte auf einem Tisch parallel zur Schreibunterlage ausrichtet und mit einem wahrhaft systemischen Wahn die Spülmaschine be- und entlädt. Wobei mein Vater nicht zwanghaft wirkt, ganz im Gegenteil. Auf Menschen, die ihn kennenlernen, macht er sogar einen lockeren, humorvollen und absolut pferdediebstahlgeeigneten Eindruck. Das trifft im Großen und Ganzen auch zu – außer es geht um Einräumen, Umräumen, Werkzeug oder Vorräte. Da entwickelt mein Vater eine Pedanterie, die ihresgleichen sucht. Ich habe noch nie jemanden kennengelernt, der größere innere Befriedigung dabei empfindet, jede – aber auch wirklich jede – freie Stelle mit irgendetwas Nützlichem zugepfropft zu haben, bis tatsächlich kein Platz mehr frei ist – außer dem, an dem die Familie installiert werden muss. Hätte mein Vater sich jemals für den Game Boy interessiert, wäre er süchtig nach Tetris.

    Diese Pack-Obsession führte dazu, dass wir in späteren Urlauben ein kleines Segelboot auf einem Anhänger mit uns führten. Jedoch nicht in erster Linie, um es zu wassern, sondern um es bis unter die straff gespannte Persenning vollzupacken mit Konserven, Kartoffelpüree-Flocken, Gaskartuschen, Batterien, Dosenmilch und diversen anderen Dingen mit Aufblas-, Ausklapp- oder Faltfunktion. Ansonsten war das Boot nur noch dazu da, dass wir es einen Tag vor der Heimreise schuldbewusst zu Wasser ließen, um damit zweimal zu kreuzen und einmal zu kentern und es anschließend doppelt so lange zu säubern, wie der Segeltörn gedauert hatte.
    Anschließend wurde es wieder vollgepackt bis zum Rand, und ich frage mich bis heute, warum sich die Menge der Vorräte auf der Heimreise nicht signifikant von der Menge der Vorräte bei der Abreise unterschied. Ich weiß genau, dass wir laufend gegessen haben, denn ich musste ja auch laufend abspülen. Aber was immer ich da unter dem eiskalten Wasser mit dem grindigen Schwamm von dem Plastikgeschirr kratzte – es kann nicht aus den Konserven stammen, die wir im Boot hierher ans Ende der Welt gekarrt hatten. Denn die wurden nach dem Urlaub vollzählig wieder in die kleine Vorratskammer neben der Küche sortiert.

    Insgesamt beschleicht mich heute in der Rückschau die Ahnung, dass dieser gesamte Campingwahnsinn wenig mit Urlaub zu tun hatte, sondern vielmehr mit Zwanghaftigkeit und Ritualen. Das trifft auf jeden Fall nicht nur auf das Packen und die Vorbereitungen vor der Abreise zu, sondern auch auf die ewig langen und beschwerlichen Wege in das sogenannte Urlaubsland. Oder was mein Vater für ein solches hielt …

Der Weg ist das Ziel
    D er grüne VW-Bus hatte oben eine Luft/Licht-Luke. Um auch mit vollgepacktem Gepäckträger in den Genuss von beidem zu kommen, hatte mein Vater eine statische Meisterleistung ersägt. Er hatte genau an der Stelle, wo sich die Dachluke befand, die entsprechenden Streben des Dachgepäckständers gekappt. Somit konnte man das Gepäck wunderbar um dieses Loch herum drapieren, und wenn die Sonne hoch genug stand, fiel tatsächlich etwas Licht ins Innere des Busses.
    Dafür fehlten dem Gepäckträger allerdings ein paar Querverbindungen, die der Designer des guten Stücks vermutlich nicht ausschließlich aus Jux und Dollerei dort installiert hatte. Aber
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