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Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte

Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte

Titel: Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte
Autoren: Tommy Krappweis
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tatsächlich taten Spanngurt und Wachsschnur jahrelang einen statisch ebenso einwandfreien Dienst.
    So konnte mein Vater die dringend benötigten Gasflaschen für Kühlschrank und Herd auf dem Dach festzurren und musste sie nicht im Inneren des Busses lagern. Es war und ist zwar verboten, Gasflaschen auf einem Dachgepäckträger zu transportieren, weil die Sonne schon mal dafür sorgt, dass so eine Gasflasche dem Auto zu viel Drive gibt. Dieses Problem löste mein Vater jedoch elegant mit einer Plastikplane. Mit »Problem« meine ich allerdings nicht die pozentielle Lebensgefahr für Insassen und nähere Umgebung. Nein, damit ist gemeint, dass nun niemand mehr die Gasflaschen sehen konnte und wir mit ein bisschen Glück und vorausgesetzter Faulheit der Beamten ungestört über die Grenze kommen würden.
    Aber da das Auto mit seinem handgezimmerten Innenausbau, den Metallplatten im Boden und den selbstverlegten Gasleitungen ohnehin keinem Sicherheitsstandard der Welt – außer dem meines Vaters – standhielt, waren Glück und Beamtenklischee sowieso unabdingbar. Mehr als einmal habe ich mit dem Gedanken gespielt, bei der Passkontrolle auszurufen: »Aber Papi, das ist doch gar nicht erlaubt mit den Gasflaschen auf dem Dach!«
    Ich habe es dann aber doch gelassen, weil mir ein griechischer Campingplatz immerhin noch bequemer erschien als ein griechischer Knast. Heute bin ich mir da allerdings nicht mehr so sicher …

    Wie auch immer, nach drei Tagen waren Boot, Bus und Gepäckträger vollgepackt, und meine Mutter und ich traten die vorerst letzte Reise im heimischen Aufzug nach unten an. Wenn bisher noch nicht so arg viel von meiner Mutter die Rede war, dann ist das nicht wertend gemeint. Meine Mutter Karin Krappweis war damals noch nicht die omnipräsente Das-machen-wir-jetzt-so-und-das-machen-wir-jetzt-so-Maschine, die sie heute ist.
    Wenn man so will, hatte sie ihr Coming-out als vollkommen eigenständige Persönlichkeit erst, nachdem sie und mein Vater sich scheiden ließen, als ich zwölf und mein Bruder Nico sechs Jahre alt war. Meine Eltern hatten früh geheiratet, und meine Mutter brauchte ein paar Jahre, bis sie sich über die Lautstärke meines Vaters hinweg ebenfalls vollumfänglich hörbar machen konnte.
    Die Geschichten in diesem Buch fallen aber eher in die Zeit, als meine Mutter noch das meiste glaubte, was mein Vater erzählte, und im Großen und Ganzen darauf vertraute, dass er das Richtige zum Wohl aller Familienmitglieder tun würde. Und wenn mein Vater sagte, es herrsche keine Gefahr, dann herrschte keine Gefahr-ich-lach-mich-kaputt.

    Vorsichtig ausgedrückt, zeichneten sich die Anreisen immer durch ein Höchstmaß an Unbequemlichkeit aus. Die schier endlose Fahrtdauer plus die wenig ergonomischen Sitze mal das zuckelige Reisetempo von irgendwas um die 80 Stundenkilometer ergaben eine Gesamtgrenzerfahrung, die mir heute noch das Gefühl hilfloser Agonie vermittelt.
    Ich war auf dem Weg an einen Ort, den ich schon hasste, bevor wir angekommen waren, und hatte keine Möglichkeit, das irgendwie zu vermeiden. Das erste Mal alleine zurückbleiben durfte ich erst im Alter von vierzehn, und bis dahin war es noch lange hin. Also bestand die einzige Chance, das Ganze zu überstehen, darin, mich von Moment zu Moment mit der Situation zu arrangieren. Ich musste also mitfahren, na gut – aber keiner, nichts und niemand würde mich dazu bringen, Spaß zu haben!

    Zuerst hörte ich meine Pumuckl-Kassetten noch über die Lautsprecher des Autoradios. Damals noch mit Alfred Pongratz als Meister Eder, denn Gustl Bayrhammer kam erst viel später. Doch Alfred hin, Gustl her, meinen Eltern ging vielmehr der Hans Clarin auf die Nerven. Nicht persönlich natürlich, sondern als Stimme vom Pumuckl.
    Nachdem Kinder im Allgemeinen eine große Freude an der Wiederholung der Wiederholung der Wiederholung haben, war schnell klar, dass ich dringend einen eigenen Kassettenrekorder benötigte. Also bekam ich eines dieser rechteckigen Henkelgeräte mit einem Monolautsprecher oben und einem Kassettenfach darunter, mit großen mechanischen Tasten, von denen eine rot war und die Funktion hatte, über das eingebaute Mikrofon aufzunehmen – vorausgesetzt, man hatte genug Kraft, um die REC- und die PLAY-Taste gleichzeitig runterzudrücken.
    Mit diesem Gerät lümmelte ich mich also hinten auf der Eckbank im Hippiebus und hörte die gleichen vier Pumuckl-Kassetten rauf und runter. Ich weiß, dass mein Vater nach stundenlanger
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