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Das verplante Paradies

Das verplante Paradies

Titel: Das verplante Paradies
Autoren: Peter Tate
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in die Stadt gehen.“ Simeon verließ die Theke. Er forderte die jungen Leute auf, mit ihm zu geben. Am Ausgang drehte er sich um. „Vangoj?“
    „Ich habe doch gesagt, daß ich in die Stadt gehe!“
    „Tu das auch. Ich möchte mit dir reden. Ich glaube, wir könnten –“
    Simeons Verständigungsversuche klangen falsch, und er wußte es. Als die anderen bereits die Straße erreicht hatten und auf ihn warteten, beobachtete Simeon immer noch den kleinen Mann, der hinter der Theke stand und Arbeit für sich erfand. „Vangoj?“
    „Leck mich am Arsch“, rief Vangoj.
     
    Etwas, das seit langem verschüttet schien, bewegte sich in dem Priester, als er die Gruppe herankommen sah, die sich kräftig gegen die heftigen Böen stemmte, die von allen Seiten über sie herfielen.
    Er stellte sich oben an den Weg, damit sie ihn sehen könnten. Seine Soutane wurde ihm fast vom Leib gerissen. Er zählte etwa zwanzig Personen, alles junge Leute. Sie hielten die Köpfe gesenkt und hatten die Augen zu Schlitzen verengt, um sie vor dem wirbelnden Staub zu schützen. Simeon ging an der Spitze und neben ihm Julie.
    Plötzlich wurde ihm klar, wer er war: Pater McKenzie. Man nennt sich selbst nicht oft beim Namen, und wenn einen niemand anderes ruft, vergißt man ihn leicht.
    „Ich bin Pater McKenzie“, rief er, als sie herangekommen waren.
    Simeon kam herüber. „ Pater McKenzie?“
    Die Frage war so skeptisch und unnötig grausam, daß der Priester momentan nur Abwehr spürte. „Ja, der bin ich.“
    „Dann gehen wir zurück.“ Simeon deutete mit der Hand ein Umkehren an. Die Gruppe wandte sich um und blickte den Weg hinunter, den sie gekommen waren.
    „Wartet!“ Mein Vorname – mein Vorname, oder ich verliere diese Leute. Brian. „Ich heiße Brian McKenzie.“
    Simeon schien sich zu entspannen, soweit das überhaupt möglich war unter dem Ansturm des Windes.
    „Lassen Sie mir Zeit“, sagte Brian McKenzie. „Alte Angewohnheiten sterben nur langsam ab.“ Er blickte an seiner Soutane herab. „Besonders diese.“
    Während er sie zur Kirche führte, knöpfte er die Soutane auf. Der Wind fuhr darunter und zerrte daran.
    „Lassen Sie es an“, sagte Simeon. „Sie frieren ja sonst.“
    „Gewärmt hat sie nie besonders. Und wenn ich sie nicht ausziehe, benehme ich mich womöglich wieder wie ein –“
    Brian McKenzie war unsicher geworden. Als sie in der Kirche waren, wies er auf die Bänke und wartete, bis die Gruppe sich darin verteilte. Dann ging er in die Sakristei. Als er die Tür zwischen sich und Simeon schloß, stellte er fest, daß Schweiß auf seiner Stirn stand und die Hände zitterten.
    Die Fenster klirrten in den Rahmen. Die Böen schlugen auf die Wände ein. Ein Ziegel löste sich, rutschte das Dach hinunter und zersprang mit einem Scheppern auf dem Boden.
    Habe ich mich so geirrt? Bin ich so in die Irre gegangen, daß da einfach ein Mann ohne besondere Gaben daherkommen und reden kann, ganz gleichgültig, ob es richtig ist, was er sagt? Woher nimmt er das Recht? Wer hat ihm größere Autorität als mir gegeben? Er meint, weil er einen Haufen abgerissener junger Leute durch den Sturm geführt hat, hat er seine Ansprüche begründet … Immerhin sind sie gekommen. Obwohl es so viele bequeme Schutzräume in der Stadt unten gibt, wollten sie dort sein, wo Simeon ist. Warum bin ich so schwach? Warum bin ich so bereit, ihn aufzunehmen und anzunehmen? Warum ist Simeon zu mir gekommen?
    Eine Hand klopfte an die Tür. „Brian McKenzie?“
    Simeon.
    „Ich komme. Ich suche nur eine Jacke.“ Das war gelogen. Knöpf deine Soutane zu und tritt ihm entgegen.
    Brian McKenzie machte die Tür auf und trat in die Kirche hinaus. Er spürte Simeons Blick und wappnete sich gegen ein Zurückweichen. „Wenn Sie jetzt hi nausgehen, sind Sie verrückt“, sagte er. „Bei so einem Wetter sollte Ihnen jeder sichere Ort genügen.“
    Mechanisch ging er das Hauptschiff hinunter. Seine Worte hallten in dem kahlen Raum. Er erreichte die Treppe, die zur Kanzel hinaufführte. Er setzte den Fuß darauf.
    „Darauf kommt es nicht an“, rief Simeon von unten. „Wir hatten einen ganz bestimmten Grund zu kommen, und jetzt stellt sich heraus, daß dieser Grund nicht mehr gegeben ist. Jedenfalls beginnt er sich aufzulösen.“
    „Nichts löst sich auf, Simeon. Wenn ich gerade in Atome zerfalle, dann spüre ich es jedenfalls nicht.“
    Die jungen Leute in den Bänken, die teils im Halbschlaf verharrten, teilweise aber auch wach und auf
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