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Das verplante Paradies

Das verplante Paradies

Titel: Das verplante Paradies
Autoren: Peter Tate
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Bedürfnis gespürt.
    Er war so lange allein gewesen, daß sein Hunger nach Gemeinschaft sein Verhalten wesentlich beeinflußt hatte. Deswegen hatte er Simeon mehr von seinem Inneren gezeigt, als ihm jetzt ratsam erschien. Er bedauerte es, und im selben Atemzug bedauerte er, daß er es be dauerte. Aber schon der gesunde Menschenverstand mußte ihm sagen, daß man seinen Glauben, den man ein Leben lang gehabt hat, nicht von einem Augenblick zum nächsten gegen einen anderen eintauscht.
    Es hatte vierzig Jahre gedauert, bis er des Katholizismus müde geworden war. Konnte er jetzt behaupten, daß die Glaubenslehren Irrtümer waren? War es nicht wesentlich wahrscheinlicher, daß der Fehler bei ihm selbst lag? Einsam, begierig nach Gesellschaft, abgestoßen von einer ablehnenden Umgebung wie er war, mußte er da nicht irren?
    Als er vor fünfzehn Jahren frisch aus dem Seminar an diese öde Küste gekommen war, hatte sein Selbstbewußtsein noch ausgereicht. Damals hatte er mit den Künstlern und Freidenkern, die hier gewohnt hatten, über Agnostizismus und Evolutionstheorien gestritten. Er hatte auch überzeugt. Diese Leute kamen vielleicht nicht zur Beichte, aber von dem, was er sagte, akzeptierten sie das Wesentliche.
    Wo war diese Überzeugungskraft geblieben? „Sie kamen damals zu einer schlechten Zeit“, sagte er. „Ich war damals zuwenig Lehrer und zu sehr Mensch.“
    „Dann kam ich also zur richtigen Zeit“, sagte Simeon.
    McKenzie kämpfte mit sich. Er biß sich auf die Lippen. In seiner Erregung erschien ihm die Kirche in einem gelblichen Licht, und auch die Kräfte, die von außen gegen sie anstürmten, schienen sich geändert zu haben. Niedergeschlagen wartete er auf einen Hinweis, auf eine Vision. Aber es kam keine Vision, nur der Anblick, wie die jungen Leute sich erhoben, wie Simeon zur Tür ging.
    Unglauben kann ich bekämpfen. Plötzlich kamen die Worte. Aber nicht einen Glauben, der einfacher, grundsätzlicher – reiner – ist als mein eigener. „Sie müssen es mir zeigen“, rief er hinter Simeon her. Aber er wußte nicht, ob es der andere gehört hatte.
    Draußen war blauer Himmel, wie Simeon bemerkte. Aber es war ein Himmel ohne Sonne. Es war ein riesiges, rundes Loch in den Wolken, aber an seiner Peripherie türmten sich immer noch hohe Kumuluswolken, die in heftiger Bewegung waren. Es erinnerte ihn an ein Faß mit Melasse. Er griff nach der Türklinke, um sich zu stützen.
    Der Himmel bewegte sich. Oder so schien es zumindest. Überall waren gewaltige Kräfte am Werke.
    Julie kam zu ihm und führte ihn zurück in die Kirche. Im selben Augenblick sprang das Auge des Sturms über die Berge, und die andere Seite des Hurrikans überfiel die Landschaft noch einmal.
     
    Nach dem Sturm, als ein herrlicher Sonnenuntergang das Unwetter fast vergessen ließ, gingen Simeon, Julie, Latimer und Brian McKenzie in die verwüstete Som merfrische hinunter.
    Die Menschen bewegten sich unsicher durch die Straßen. In den Augen trugen sie die Hoffnung, daß der Sonnenuntergang und die zartrosa Schäfchenwolken, die wie Wattebäuschchen am Himmel schwebten, ein Versprechen darstellten.
    Der milde Abend nahm der Zerstörung, die sie überall entdeckten, den Schrecken.
    Markisen, die aus dem Gestänge über den Läden gerissen worden waren, hingen wie zerfetzte Fahnen über das Schlachtfeld. Entwurzelte Palmen ragten aus zerbrochenen Schaufenstern. Die verschiedenen Hotels und Pensionen, von denen nur wenige Fensterläden besaßen, zeigten der See ihre leeren Fensterhöhlen.
    Der Anblick hatte eine magische Anziehungskraft. Die Einwohner waren verstört und geschockt. Dennoch erschienen schon wieder Tische auf den Straßen. Die Restaurantbesitzer fanden zu ihrem gewohnten Optimismus zurück. Plünderungen gab es nicht. Der Ort war für Leute gebaut worden, die Geld genug hatten, um sich hier wohlzufühlen, und die Leute, die es gebaut hatten, waren ebenfalls nicht unvermögend. Arme Leute gab es hier nicht.
    Die Soldaten, an schärfere Sicherungseinsätze gewöhnt, richteten ihre Waffen in sämtliche dunklen Winkel, aber meistens standen sie bloß herum.
    „Es sieht gefährlich aus“, sagte Julie, die sich über das Fehlen von Panik wunderte.
    „Das sieht nur so aus“, sagte Simeon. Er hielt einen der Soldaten an.
    „Hat es Opfer gegeben?“
    „Nur eines. Ein Bursche ist weggespült worden. Er war gewarnt“, sagte der Mann.
    „Das war Vangoj“, sagte Simeon.
    „Er hatte so eine Bar da oben an der Straße.
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