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Das Vermächtnis der Montignacs

Das Vermächtnis der Montignacs

Titel: Das Vermächtnis der Montignacs
Autoren: John Boyne
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für einander empfunden haben, aber das muss nicht so bleiben. Ich verzeihe dir sogar, und du –«
    Â»Du verzeihst mir?«, fragte sie erstaunt. »Was willst du mir denn verzeihen?«
    Â»Das, was du getan hast. Dass du mich verlassen hast und nach Genf gegangen bist. Dass du unser Kind nicht geboren hast. All das kann ich verzeihen, wenn wir noch einmal neu anfangen. Der Himmel weiß, dass ich selbst auch Vergebung brauche. Keiner von uns beiden ist perfekt. Aber ich habe dich damals geschützt und mich um alles gekümmert. Oder glaubst du, es wäre mir leichtgefallen, Andrew auf diese Weise loszuwerden? Es war alles andere als einfach, es war grauenhaft. Aber ich habe es für dich getan. Für uns. Damit wir zusammen sein konnten. Und jetzt verlange ich nicht mehr, als dass du dich an deine Gefühle erinnerst und sie wieder zum Leben erweckst. Hier in Leyville, dem Haus, das uns zusteht. Das mir zusteht.« Den letzten Satz sagte er mit Nachdruck.
    Stella trat einen Schritt zurück und zog ihre Stola enger um ihre Schultern, als sei es plötzlich kälter geworden.
    Â»Andrew loszuwerden?«, fragte sie. »Was soll das heißen? Wie denn loswerden?«
    Â»An jenem Tag hat er uns in deinem Bett gesehen.«
    Â»Andrew?«, fragte sie erschrocken.
    Â»Ja, und deshalb bin ich ihm nachgelaufen, aber das weißt du ja schon. Er war mit seinem Gewehr losgezogen. Wäre dein Vater an jenem Tag zu Hause gewesen, wäre er wahrscheinlich schnurstracks zu ihm gerannt. Ich weiß nicht, warum er das Gewehr dabeihatte, ob er mich umbringen wollte oder nicht, aber ich bin ihm gefolgt und habe mit ihm gesprochen. Auch den Teil der Geschichte kennst du schon.«
    Stella stand da wie gelähmt. »Nein«, murmelte sie kopfschüttelnd, »das ist nicht wahr.«
    Â»Natürlich ist es wahr. Du hast doch nicht wirklich geglaubt, dass es ein Unfall war, oder?«
    Â»Damals hast du gesagt, sein Gewehr sei vielleicht nicht gereinigt gewesen. Dass es eine Fehlzündung hatte.«
    Â»Das musste ich doch sagen, verstehst du das nicht? Andrew wollte uns verraten. Er wollte es deinem Vater erzählen und sagte, ich würde aus Leyville verbannt, dass ich ohnehin nie das Recht gehabt hätte, dort zu sein, obwohl wir beide wissen, dass ich im Grunde ein größeres Recht dazu hatte als irgendeiner von euch Dieben, die es mir gestohlen haben.« Die letzten Worte spie er Stella ins Gesicht und trat einen Schritt auf sie zu. »Was blieb mir denn da noch anderes übrig? Was hätte ich tun sollen? Was hättest du an meiner Stelle gemacht? Andrew hätte es weitererzählt, wir beide wären gebrandmarkt gewesen, und ich hätte das verloren, was mir von Geburt an zustand. Es wäre mir wie meinem Vater ergangen, den ihr umgebracht habt. Hätte man ihn in Frieden gelassen, hätte er hier mit meiner Mutter gelebt, nicht in Frankreich. Aber er wurde verstoßen und enterbt und letztendlich auch getötet.«
    Â»Owen, dein Vater ist im Krieg gefallen.«
    Â»Glaubst du etwa, das hätte ich zugelassen«, fuhr er unbeirrt fort. »Dass Andrew mir so etwas antun würde? Und dir? Glaubst du, ich hätte zugelassen, dass er dich bloßstellt? Du warst für mich bestimmt, siehst du das nicht ein? Du warst Teil meines Geburtsrechts. Du gehörst mir.«
    Benommen schüttelte Stella den Kopf, und über ihre Wangen liefen Tränen.
    Â»Nein«, flüsterte sie beschwörend, »sag, dass es nicht so war.«
    Â»Aber du wusstest es doch«, sagte er und betrachtete sie verwundert. »Insgeheim wusstest du es von Anfang an.«
    Â»Er war mein Bruder«, schrie sie so laut, dass die Vögel unten aus den Bäumen aufflatterten und sich kreischend in die Lüfte erhoben. »Er war mein Bruder, und du hast ihn ermordet, weil – weil …«
    Â»Deinetwegen, Stella. Und ich würde es wieder tun. Ich würde jeden töten, der dir schaden will. Jeden, der dir wehtun will.«
    Stella wandte sich um und griff haltsuchend nach dem Rand der Brüstung. Ihre Tränen versiegten, während zahllose Gedanken durch ihren Kopf rasten, einer abwegiger als der andere, bis die wirren Fragmente sich verdichteten und sich ein Gedanke klar herausschälte. Sie sah ihren Cousin an.
    Â»Du hast auch Raymond umgebracht, nicht wahr?«, flüsterte sie. »Du warst es.«
    Montignac wich ihrem Blick aus und lachte, als hätte er
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