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Das Vermächtnis der Montignacs

Das Vermächtnis der Montignacs

Titel: Das Vermächtnis der Montignacs
Autoren: John Boyne
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Schreibtisch und schüttelte Montignacs Hand. »Dann sehen wir uns hier wohl nicht mehr.«
    Â»Nein.« Montignac verabschiedete sich und durchquerte den Club zum letzten Mal in Richtung Ausgang. An der Tür standen Henderson und Dempsey, denen er fröhlich zuwinkte und dem Himmel dankte, dass sie ihn nie in die Finger bekommen hatten.
    Seine Schritte hatten ihn wie von allein zum Bahnhof Liverpool Street geführt, wo er in den Zug nach Leyville gestiegen war. Jetzt, auf dem Weg durch das leere Haus, fiel ihm ein, dass sein Onkel vor einem Jahr noch gelebt hatte, doch seit dessen Tod gab es nur noch Stella und ihn. Und selbst Stella würde Leyville in Kürze verlassen, wenn es ihm nicht gelang, sie zum Bleiben zu überreden. Er fragte sich, ob Margaret ihre Drohung, ihn zu verraten, ernst gemeint hatte. Dann dachte er an das, was sie darüber hinaus gesagt hatte, und überlegte, ob sie recht gehabt hatte. Vielleicht hatten er und Stella ja tatsächlich noch eine Chance.
    Stella hatte sich darüber beklagt, dass Leyville für einen allein zu groß sei, doch während Montignac die Zimmer durchstreifte, stellte er fest, dass er anderer Ansicht war. Wäre das Haus an ihn gegangen – wie es richtig gewesen wäre –, hätte er dessen Pracht und Größe genossen. Den Besitz hätte er mit strenger Hand verwaltet, wie die Montignacs früherer Zeiten, und nie im Leben etwas dem National Trust überlassen.
    Er lief die Treppe hinauf zu seinem Zimmer, in dem es kaum noch etwas gab, das ihm gehörte. Mit zusammengezogenen Brauen betrachtete er das ungemachte Bett und nahm sich vor, Margaret später aufzutragen, sein Zimmer ordentlich herzurichten, schließlich war sie hier angestellt, ob ihr die Rolle gefiel oder nicht. Wieder auf dem Flur, sah er zu Andrews altem Zimmer hinüber, dessen Tür nur noch selten geöffnet wurde. Sein Blick wanderte weiter zu der Tür von Stellas Zimmer. Leise schlich er darauf zu, drückte die Tür einen Spaltbreit auf und spähte hinein. Wie magisch angezogen fiel sein Blick auf das Bett, und über seine Wirbelsäule lief ein Schauder. So wie er jetzt, musste auch Andrew am Morgen seines Todestages dagestanden haben – an dem Morgen, als er sie entdeckte. Von hier aus hatte er sie beobachtet, ehe er kehrtmachte und das Haus mit dem Gewehr in der Hand verließ. Noch heute wusste Montignac nicht, warum er das Gewehr mitgenommen hatte; ob er sich in seiner Verwirrung und Wut bei der Kaninchenjagd abreagieren wollte, oder ob er auf seinen Cousin gewartet hatte, um ihn zu erschießen. Stella hatte Andrew nicht gesehen. Nur er war ihm später in den Wald nachgelaufen.
    Owen schüttelte die Erinnerung ab, es war ohnehin nicht mehr zu ändern; sie war nur eine von vielen unangenehmen Erinnerungen aus jenen früheren Zeiten. Doch hätte sein Onkel ihm, dem rechtmäßigen Erben, Leyville hinterlassen, wäre jetzt alles gut, und für das, was sich damals zugetragen hatte, hätte es einen vernünftigen Grund gegeben.
    Wieder dachte er an das, was Margaret bei ihrer letzten Begegnung in der Teestube gesagt hatte; wie sie ihn angefleht hatte, Stella die Reise auszureden. Niemand kann dich mehr an etwas hindern , das waren ihre Worte gewesen, und sie hatte recht gehabt. Er erinnerte sich an die langen Jahre, in denen er von Stella geträumt hatte, die zahllosen verpassten Gelegenheiten, sich ihr wieder zu nähern, die Unfähigkeit anderer Frauen, so wie Stella in seine Seele einzudringen. Was wäre, wenn sich seine Träume doch noch verwirklichen ließen?
    Womöglich könnte er dann – obwohl es gewiss zu viel der Hoffnung war –, aber vielleicht könnte dann auch er ein glückliches, anständiges Leben führen.
    Ihm kam ein Gedanke. Mit großen Sätzen eilte er die Treppen hinauf zu der kleinen Tür zum Dachgarten, wusste, bevor er die Hand nach dem Türgriff ausstreckte, dass sie nicht verschlossen war, und drückte sie lautlos auf. Über den Dachgarten strich eine leichte Brise, und die untergehende Sonne tauchte ihn in weiches Licht. Der Himmel war wolkenlos; es würde ein schöner Winterabend werden, voller Verheißung für den Beginn eines neuen Lebens. Stella stand mit dem Rücken zu ihm an der Brüstung.
    Â»Stella.«
    Sie fuhr herum, drückte eine Hand auf ihre Brust und lachte auf.
    Â»Owen«, sagte sie, »warum
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