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Das verlorene Land

Das verlorene Land

Titel: Das verlorene Land
Autoren: J Birmingham
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stürmten eine Weile voran. Flossie folgte der Steigung nach oben und stolperte nur gelegentlich durch natürliche Bodenvertiefungen, weshalb sie beide immer wieder durchnässt wurden. Miguel hielt Ausschau nach den Überresten der Herde. Mit aller Kraft versuchte er darüber hinaus Anzeichen für den Verbleib seiner Tochter in diesem ganzen Chaos zu finden, aber es war nichts zu entdecken. Als Wind und Regen endlich nachließen, wurde ihm klar, dass nur wenige Rinder übrig geblieben waren. Der höllische Sturm und der heftige Regen ließen nach, und er konnte endlich weiter als nur wenige Meter in alle Richtungen sehen. Zu seiner Rechten wälzte sich jetzt ein großer Fluss durch das Tal, eine unruhige dunkelbraune Flut, in der die Kadaver zahlloser Tiere trieben, zumeist Rinder, aber auch einige Pferde, von denen manche noch ihr Sattelzeug trugen. Auch ein aufgeblähtes Schaf war zu sehen, das alle viere gen Himmel gestreckt vorbeitrieb.
    Auf einem kleinen, mit Wasser vollgesogenen Hügel brachte Miguel sein Pferd zum Stehen. Jetzt waren sie hoch genug, um vor den Fluten sicher zu sein. Drei Rinder standen bereits hier oben, aber sie machten den Neuankömmlingen brav Platz. Miguel drehte sich im Sattel um und schaute auf das Tal hinab in den Regen. Trotz der eingeschränkten Sicht konnte man deutlich erkennen, dass eine ungeheure zerstörerische Kraft zahllose Tiere und
Pflanzen in kürzester Zeit fortgeschwemmt hatte. Er bemerkte einen entwurzelten Baum, der von Süden her auf ihn zu trieb, daneben etwas, das wie ein Autowrack aussah. Woher auch immer das kommen mochte. Es gab keine Anzeichen für menschliche Wohnstätten in der näheren oder weiteren Umgebung.
    »Hallo!«, rief er laut. »Kann jemand mich hören?«
    Von D’Age, der vor kurzem noch so dicht bei ihm gewesen war, dass er seine Zügel fassen und sein Pferd beruhigen konnte, war nichts zu sehen. Irgendwo hinter sich hörte er ein klägliches Bellen. Knapp hundert Meter entfernt stand Red Dog schwanzwedelnd auf einem einsamen Hügel. Dort war die Hündin zweifellos in Sicherheit, aber von seinem anderen Hund war nichts zu sehen.
    »He! Hier drüben!«, hörte er eine weibliche Stimme von der anderen Seite des reißenden Stroms her rufen.
    Dort winkte ihm jemand aus einer Baumkrone zu.
    Es waren Miss Jessup und seine Sofia.
    Sein Herz klopfte so heftig, dass es beinahe aus dem Brustkorb sprang.
    Eine der Lagerhuren tauchte hinter ihnen auf, aber er konnte nicht erkennen, wer es war, so sehr war sie mit Dreck beschmiert.
    »Bleibt dort!«, rief er. »Bewegt euch nicht, bis die Flut nachlässt oder jemand euch zu Hilfe kommt.«
    Sofia schrie etwas zurück, aber er konnte es nicht verstehen.
    Miguel winkte ihnen zu, so aufmunternd, wie es eben möglich war, und schaute sich nach anderen Überlebenden um. Er sah Hunderte von toten Rindern. Manche waren ineinander verkeilt und bildeten nun Dämme, andere hingen an Baumstämmen fest und stellten ein Hindernis dar, an dem nach und nach noch mehr hängen blieben. Einige Minuten später entdeckte er Willem D’Ages Leiche. Er war gegen einen Felsvorsprung geschmettert
worden, sein Kopf war eingebeult, und er lag in einer grässlich unnatürlichen Haltung da. Seine weit aufgerissenen Augen starrten in den Himmel, aus dem der tödliche Sturm über sie gekommen war. Miguel stieg nicht ab. Im Augenblick konnte man nichts für die Toten tun, es kam zunächst einmal darauf an, den Überlebenden zu helfen.
    Eine andere Leiche in einiger Entfernung entpuppte sich als die von Jenny, Willem D’Ages Verlobter. Miguel erkannte sie an ihren roten Reitstiefeln, die unter einem toten Rind hervorlugten.
    Er bekreuzigte sich und sprach ein kurzes Gebet für die Seelen der Verstorbenen. Es war eine mechanische Geste, die er seit seiner Kindheit verinnerlicht hatte. In Wirklichkeit hatte er keine Lust mehr, zu irgendeinem Gott zu beten. In dieser Welt aus Leid und Verderbtheit gab es kein höheres Wesen, nur Leere.
    »Miguel … hier drüben …«
    Die schwache Stimme, die über das tobende Wasser und durch den erneut strömenden Regen zu ihm drang, hätte er beinahe gar nicht vernommen. Aber er hörte einen Gewehrschuss und spähte über den Fluss. Auf der anderen Seite stand Adam auf einem großen Felsbrocken. Eine Frau war bei ihm, es war Maive Aronson, und Miguel freute sich, dass sie noch lebte. Aber dann verpuffte sein Optimismus sofort, als ihm einfiel, dass ihr Mann ja tot war. Cooper Aronson, der Anführer dieser
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