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Das verlorene Land

Das verlorene Land

Titel: Das verlorene Land
Autoren: J Birmingham
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Hauptkraft des Sturms so, dass sie direkt davon getroffen wurden. Die scharfen Böen wiederum änderten ständig ihre Richtung, und das Auf und Ab des tosenden Winds war so verstörend, dass Miguel die Orientierung verlor. Wie kam Sofia nur gegen diese Naturgewalten an? Lebte sie überhaupt
noch, oder war sie aus dem Sattel geworfen und zertrampelt worden? Die einzige, dünne Hoffnung, die ihm noch blieb, war, dass er gesehen hatte, wie sie und Trudi Jessup einen Hügel hinaufgeritten waren, bevor der Sturm mit voller Macht losbrach. Trudi war in Ordnung, auf sie konnte man sich verlassen. Sie würde nicht zulassen, dass Sofia ein Leid geschah, wenn sie es verhindern konnte.
    Dunkle Schatten lösten sich von der Herde, als die Tiere in blinder Panik in alle Richtungen auseinanderstoben. Miguel spürte die Angst, die auch sein Pferd erfasst hatte, jeder Muskel und jede Sehne des Tiers schien davon durchdrungen. Er lenkte Flossie fort von der Stampede auf einen kleineren Hügel zu, der, wie er sich erinnerte, irgendwo zu seiner linken sein musste.
    Aber das Wasser um ihn herum stieg mit beängstigender Geschwindigkeit. Eben noch reichte der Strom bis zu den Fesseln der Pferde, jetzt war er schon bis zu ihren Knien angestiegen. Bei dem Versuch, den wirbelnden Fluten zu entgehen, stolperten sie in eine Mulde, und mit einem Mal reichte das graue eisige Wasser bis zu den Flanken des Pferdes und drang in seine Stiefel ein, durchnässte seine Hose. Miguel spürte, wie die kräftige Stute beinahe den Halt verlor und die Wassermassen sie mit sich fortzuzerren drohten. Ein schlechterer Reiter als er hätte vielleicht die Sporen gebraucht oder das Tier geschlagen, aber Miguel beugte sich inmitten des heulenden Sturms nach vorn und legte seinen Kopf auf den des Pferdes, klopfte ihm den Hals, drückte aufmunternd mit den Knien gegen seine Seiten, um ihm zu signalisieren, dass er immer noch da war und das Kommando hatte. Er war ihr Herr und Meister, nicht der Sturm.
    Das Tosen des Stroms wuchs an zu einem Crescendo, das alles andere übertönte. Das donnernde Getrampel der wild gewordenen Herde war nicht mehr zu hören, die
spritzenden Fluten hatten es weggewaschen. Ein- oder zweimal glaubte Miguel menschliche Schreie zu hören, aber er war inzwischen so weit entfernt von den andern Reitern, dass er inmitten des Hurrikans völlig isoliert war und sich fragte, ob er womöglich der einzige Überlebende der Katastrophe war.
    Flossie kämpfte tapfer gegen den Strom an, fand wieder festen Boden unter ihren Hufen, verlor ihn wieder und bekam wieder Halt. Genau in dem Moment, als Miguel schon glaubte, sie sei zu erschöpft und würde aufgeben, spürte er, wie sie irgendwo dort unterhalb der schmutzigen Wasserstrudel Grund fasste und sich mit einer ungeheuren Anstrengung aus der tödlichen Umarmung der Fluten befreite und nach oben stieg.
    »Weiter, Mädchen, weiter«, trieb er sie an.
    Das kräftige Tier, zweifellos das beste Pferd, das er je besessen hatte, fand neuen Mut, arbeitete sich die Steigung hoch und erreichte schließlich den Hügelkamm, der nur wenige Zentimeter vom Wasser überflutet worden war.
    Er zügelte sie, damit sie nicht wieder in tiefere Gewässer gelangte.
    Eines der Rinder tauchte vor ihnen auf, laut brüllend vor Angst, und stürmte jetzt direkt auf sie zu. Bevor Miguel sein Pferd wenden konnte, bemerkte es die Gefahr und bewegte sich schneller voran. Trotzdem war eine Kollision unvermeidbar, der Stier würde in wenigen Sekunden mit gesenkten Hörnern gegen sie prallen.
    Ohne darüber nachzudenken, zog Miguel sein Gewehr aus der Satteltasche und schoss dem Rind eine Ladung in den Kopf. Das Tier brüllte auf vor Wut und Schmerz, nachdem die Hälfte seines Kopfes von der Schrotladung der Lupara weggerissen worden war. Und in genau in dem Moment, als es so aussah, als würde es dem riesigen Tier doch noch gelingen, sie umzuwerfen, erzitterten die tausend Pfund Muskelfleisch und Knochen, und der Stier
brach zusammen. Über ihm spritzte das schmutzige Wasser in einer hohen Fontäne in die Luft.
    Miguel spürte, wie sein Magen sich zusammenkrampfte angesichts des Todes. Das Pferd wieherte laut auf, war aber in der Lage, um den Stierkadaver herum zu manövrieren. Endlich fand Flossie festen Grund auf dem Hügelrücken und galoppierte davon. Miguel wollte sie zuerst führen, entschied sich dann aber, auf die Instinkte des Tiers zu vertrauen. Wahrscheinlich war es besser für den Überlebenskampf gerüstet als er.
    Sie
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