Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Verdammte Glueck

Das Verdammte Glueck

Titel: Das Verdammte Glueck
Autoren: Andreas Kurz
Vom Netzwerk:
Köder an einer Angel, wir alle sind die Fische, unendlich winzig, unsere Wege vollkommener Zufall. Mit meinen Worten locke ich euch, werbe um euch, erzähle von jemandem, der ich sein könnte, und ein anderer erzählt mir von sich. Weiß ich denn, ob er es selbst ist oder ob es nur Worte sind?
    Es geht hin und her, und in unseren Köpfen erwachsen Bilder. Mal bin ich ein Mann, mal eine Frau. Mal würde ich gerne und darf nicht, mal könnte ich, so viel ich wollte, und suche dennoch weiter. Ich mache Andeutungen und lege mich nicht fest. Ich stimme zu oder lehne ab, mal sage ich dem einen das Gegenteil von dem, was ein anderer von mir hört. Gott ist schließlich beides: Yin und Yang. Ich wechsle die Seiten, ich kenne sie beide.
    Ich verabrede mich, und immer wähle ich dieses kleine Nachtcafé in der Nähe meiner Wohnung, lass mich davon nicht abbringen. Für jedes neue Paar ein anderer Tag, aber immer dieser Ort. Alle sollen hier aufeinander treffen, ihren Kreuzungspunkt finden, ihre erste wirkliche Gemeinsamkeit. Ich füge zusammen, was vorher getrennt war. Menschen, die sich nicht kennen und noch niemals ein Wort miteinander gewechselt haben. Die nur glauben, dass sie sich bereits nahe sind. Sie sind so überrascht voneinander und neugierig. Wissen schon so viel, weil ich es ihnen verraten habe, weil ich es für sie erschaffen, mir ausgedacht habe, und nun, in diesem Moment, wird es Wirklichkeit.
    Ich trinke mein Bier, rauche und sehe ihnen zu. Sie streiten fast nie, zeigen selten Enttäuschung. Immer sind sie voller Hoffnung. Ich sehe es an ihren Augen, die kaum mehr einen Blick für die Welt um sie herum haben.
    Diese Paare sind schön. Wie sie da sitzen, sind sie mein Werk. An jedem Abend führe ich Suchende zusammen. Aber ich bin ein sehr diskreter Mensch. Ich will gar nicht wissen, was weiter geschieht. Ich spreche mit Männern als Frau und mit Frauen als Mann, treffe Verabredungen, wähle Ort, Tag und Stunde, ein Erkennungszeichen. Sage jedem, was ich von ihm erwarte und dass ich mich freue. Auf ihn. Den anderen. Wenn sie dann voreinander sitzen und glauben, es war ihre Entscheidung, ihr bewusstes Handeln, freue ich mich. Es geschieht wegen mir, aber ohne mich. Wenn sie aufstehen und gehen, oftmals gemeinsam, seltener getrennt, entlasse ich sie in die Freiheit. Nie kann ich voraussehen, wie sie sich entscheiden, ob füreinander, ob gegeneinander, auch ich werde überrascht. Nach diesem Abend verwische ich meine elektronischen Spuren und mache mich unsichtbar.
    So ist Gott eigentlich niemand. Eine Idee, so etwas wie Hintergrundrauschen. Licht und Luft und Schwerkraft. Ein physikalischer Grundsatz, ohne den alle Teilchen auseinander fallen würden und keinen Sinn mehr ergäben.
    Oder er ist ein Typ wie ich, der sein Bier trinkt und euch zusieht.

Alles im grünen Bereich
     
    Sie können es jetzt messen. Keine Ahnung, wie sie es rausgekriegt haben, aber für 'nen Hunderter stülpen sie jedem einen silbern schimmernden Topf auf den Kopf und rechnen am Computer den Faktor aus. Das Ganze dauert keine fünf Minuten, und sie machen viel Geld damit. Ihre chromstrahlenden Lastwagen stehen auf den Marktplätzen, und im Radio wird viel Werbung dafür gemacht.
    Jeder ging hin, also auch wir, obwohl ich eigentlich keine Lust hatte. Doch meine Frau sagte, es ist das Geld wert, vor allem wegen der Gewissheit, die man dann hat. Meinen Einwand, für das Geld könnte man genauso gut ein Endspiel im Fußballpokal ansehen, mit Busfahrt und Bierchen in den Pausen, wischte sie weg, von wegen typisch und so.
    Wir standen also in der Reihe, es war Samstag, und es kam mir vor, als wären alle da. Hätte ich nicht gedacht, selbst Bertram und seine Olle. Ich wusste, er hatte heimlich was laufen, drüben im Nachbarkaff – mit 'ner Apothekerin, wurde erzählt. Ich hatte die beiden natürlich nie zusammen gesehen, kam eigentlich auch nie in die Gegend. Das war ein Nest, mehr nicht, und die meisten machten Witze über die, die dort wohnen. «Hallo, Bertie!», grüßte ich ihn, hob sogar die Hand, aber er sah weg, tat so, als wäre da was unheimlich Interessantes, dabei war da nur ein Fahrradständer und ein Kiosk.
    Meine Frau hatte sich bei mir untergehakt, das machte sie sonst nicht. Mich wunderte das, war aber kein schlechtes Gefühl, durchaus nicht. Wir standen in der Schlange vor dem Lastwagen mit den bunten Fähnchen oben auf dem Dach und hatten unsere hundert Euro in der Tasche. Es musste bar bezahlt werden, und zwar im Voraus –
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher