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Das Verdammte Glueck

Das Verdammte Glueck

Titel: Das Verdammte Glueck
Autoren: Andreas Kurz
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rumzumachen, als es läutete. Wenn schon mein erstes Leben eine Verwechslung war, dann dieses hier erst recht, dachte ich und beschloss, nicht aufzumachen. Doch das Sondereinsatzkommando der Polizei kam auch so rein. Ich konnte wegen meiner Erektion nicht gleich aufstehen, also machte ich auf lässig und sagte: «Aber meine Herren, was soll die ganze Aufregung?»
    «Sind Sie Dr. Hans Otto von Brill?»
    Ich betrachtete die Blonde, ihre Brüste und ihren ölig glänzenden Körper und nickte emsig.
    «Der bin ich!», rief ich aus.
    Sie legten mir Handschellen an und schleppten mich mit. Ich sei verhaftet. Erst dachte ich, sie hielten mich für einen Einbrecher, und wollte ihnen von der Identitätsverwechslung erzählen, die die Regierung gerade aufarbeitete. Doch das war ihnen egal. Brill, also ich, sei ein Millionenbetrüger, und nun, nach Jahren penibler Ermittlungen, sei es endlich gelungen, ihm alles nachzuweisen. Sie verhörten mich die ganze Nacht, aber ich konnte nicht viel sagen. Ich wusste eigentlich nur, dass das Haus sehr schön war und einen Pool besaß, an dem eine blonde Frau einen Drink nahm; die anderen Zimmer hätte ich noch gar nicht betreten. Sie zeigten Verständnis für meine Lage und meinten, ich hätte ja bald viel Zeit, mich in mein Leben und meine Taten einzulesen, alles sei notiert, ganze Leitzordner voll.
    Stolz sitze ich jetzt in meiner Zelle und lese jeden Tag etwas Neues über mich in der Zeitung. Mich ärgert nur, dass die Blonde mich nicht besucht, nicht ein einziges Mal, also versuche ich mich an Irmgard, oder wie immer ihr Name auch war, zu erinnern. Aber das ist nicht so leicht, es war ja das falsche Leben, und ich Idiot hab es gar nicht gemerkt. Dabei war es doch ganz offensichtlich eine Nummer zu klein für einen wie mich.

Guten Morgen, liebe Sorgen!
     
    Die Sorge war wieder da. Sie stand vor der Tür und klopfte. «Mach auf, ich will zu dir!», jammerte sie, und ihre spitzen Knöchelchen pochten gegen das Holz. «Hau ab!», schrie ich durch die Tür. «Ich bin nicht da.» Da kicherte die Sorge und sagte: «Doch, doch, du bist schon da. Mach die Tür auf, damit ich dich umarmen kann!»
     
    Sorgen sind widerlich. Wenn sie dich erst einmal ganz umarmt haben, gehörst du ihnen. Manchen Sorgen genügt das nicht, sie wollen einen auch küssen, Zungenküsse, Sorgenzungenküsse. Sie wollen alles, deine Seele, dein Herz. Sie greifen nach deinem Geschlecht und bieten sich dir an. «Fick mich!», rufen sie. «Fick deine Sorgen, gib alles ... und denk an nichts anderes mehr!»
     
    Ich glaube nicht, dass die Sorge, die diesmal vor meiner Tür stand und klopfte und klopfte, jammerte, greinte, quatschte, eine jener Sorgen war, die geknutscht und gefickt und geschwängert werden wollte – auf dass sie neue Sorgen gebären konnte, immer neue Sorgen.
    Ich riss die Tür auf und schrie hinaus: «Verpiss dich, du scheiß Sorge, ich will dich nicht!»

    Kann man jemandem 'eine zwischen die Zähne verpassen'?
    . Diese Zähnchen, mit denen die Sorgen immer an einem nagen. Sie taumelte, und ich sah ihren fetten Hintern, breit und weich und wabbelig, ein Sorgenhintern, in den man einfach treten muss.
    Das tat ich.
    Die Sorge polterte die Treppe hinunter, und ich schlug die Tür wieder zu, hängte die Kette ein und fühlte mich besser.

Ich bin Gott
     
    Ich bin Gott. Oder so was Ähnliches. Niemand hier in diesem Nachtcafé weiß es, niemand sieht es mir an. Ich trinke ein Pils, rauche, bin allein, sehe vielleicht aus wie bestellt und nicht abgeholt, wie sitzen gelassen, aussortiert, wie einer, der es mal wieder nötig hätte, das Arschloch von nebenan, nun gut, irgendwer halt, nicht weiter wichtig.
    Aber trotzdem Gott. Ein Schöpfer. Einer, der zusammenfügt, was nicht zusammen wollte, der daraus Neues erschafft. Ich sehe die beiden. Sie sitzen an einem der kleinen Fenstertische vorne an der Straße, reden und lächeln, entdecken einander, sind aufgeregt. ‹Johnnyboy› und ‹Sweetheart›. ‹DoctorSex› und ‹Girl69›. Heute sind es ‹Hardtofind› und ‹Sonnenscheinchen›. All das sind meine Namen. Ich denke sie mir aus und streue sie hinaus in die Welt. Ich erfinde ein ganzes Leben, immer neu, immer bunt, immer so, dass jeder es zu kennen glaubt, dass es unser aller Leben ähnlich ist. Ich tippe es auf den Bildschirm und drücke auf Eingabe. Die Welt verschluckt dann, was ich schreibe, verdaut es, und irgendwann antwortet sie mir. Die Welt wählt jemanden für mich aus. Meine Worte sind der
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