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Das Verdammte Glueck

Das Verdammte Glueck

Titel: Das Verdammte Glueck
Autoren: Andreas Kurz
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anfängt, ist das wie eine Kettenreaktion.»
    «Sie alle haben also im falschen Leben gelebt?»
    Der Beamte konzentrierte sich aufs Fahren und blieb stumm. Erst in der nächsten Stadt hielten wir wieder an. Der Beamte deutete auf einen Mann hinter mir.
    «Rüdiger Berstelmeier, Sie gehören hier in den Drosselweg 7, dritter Stock.»
    «Ich will wenigstens ein Haus», sagte der Mann gereizt. «Und Rüdiger will ich auch nicht heißen. Rüdiger ist scheiße.»
    «Tut mir leid», sagte der Beamte und blätterte verlegen in seinen Unterlagen. «Es ist die Wirklichkeit, der wir uns alle stellen müssen.»
    «Dann steige ich erst gar nicht aus.»
    Minutenlang ging es hin und her. Wir anderen begannen zu murren, schließlich packten wir Rüdiger und warfen ihn hinaus. Soll sich nicht so anstellen, der Kerl. Der Beamte führte ihn nach oben. Ich sah, wie er Rüdiger auf die Schulter klopfte und ihm Mut zusprach. Viel bürgernäher als früher, dachte ich. Ein anderer Mann wurde gebracht. Er trug wohl sonst eine Brille, denn er kniff die Augen zu und wirkte unsicher.
    «Schönen guten Abend!», sagte er höflich, als er zu uns einstieg. Ich hatte den Eindruck, als wäre er ganz froh, endlich wegzukommen, schon wegen dem Namen.
    Wir rollten weiter, und ich stellte mir mein neues Leben vor. Wie würde ich wohl in Wirklichkeit heißen? Wo würde ich wohnen? Und mit wem? Wahrscheinlich hatten Irmchen und ich nur deshalb so oft gestritten, weil ich verwechselt worden war und somit gar nicht zu ihr passen konnte? Vielleicht war der Sex darum so langweilig gewesen. Mir begann es zu gefallen, in diesem Bus zu sitzen und durch die Nacht zu rollen. Soll der andere ruhig morgen in meinen Betrieb gehen und meine Arbeit machen. Wird schon sehen, was es heißt, ich zu sein. Doch plötzlich überfiel mich undeutliche Angst: Was, wenn sie mir auch so einen dämlichen Namen verpassten? Als Rüdiger würde ich nicht weiterleben können, auf gar keinen Fall.
    Wieder wurde gehalten, diesmal vor einem Reihenhaus.
    «Karl Hans Meier», sagte der Beamte. Jetzt war mein Nachbar dran.
    «Ist nicht wahr», seufzte er, stieg aber aus, ohne zu diskutieren.
    «Nettes Häuschen», versuchten wir ihn aufzumuntern, aber ein paar von uns mussten lachen. Das Haus brauchte mehr als frische Farbe, das sah man auch im Dunkeln. Als eine dicke Frau öffnete und wütend die Augenbrauen zusammenkniff, brachen wir fast zusammen vor Gelächter.
    «Viel Spaß, Karli!»
    Diesmal kam kein neuer mit. Der Beamte fluchte. Gestern hat die Frau den Kerl rausgeworfen, und jetzt weiß keiner, wo er ist. Das bedeutete Überstunden für ihn. Im Wegfahren sahen wir, wie die Frau auch den Neuen rauswarf und er uns hinterherwinkte. Der Beamte zog die Schultern hoch. «Weiß ja auch nicht», sagte er entschuldigend.
    Als wir in diese Straße einbogen, ahnte ich, dass ich nun drankam. Ein richtiges Nobelviertel war das, überall hohe Gartenmauern und Schmiedeeisen. Ich fühlte meine wahre Identität.
    «Dr. Georg Otto von Brill», sagte der Beamte, deutete auf mich und dann auf einen flachen Bungalow, vor dem ein schwarzer BMW parkte. Die anderen im Bus stöhnten und zogen betrübte Gesichter.
    «Genau!», rief ich selbstsicher. «Ich wusste schon immer, dass ich zu mehr berufen bin als zu dem bisschen mit dieser Irmtraut, oder wie auch immer sie geheißen haben mag.»
    Der Typ im Hausmantel mit der Pfeife im Mund, der uns öffnete, hielt nichts von den Maßnahmen der Regierung und wollte mit seinem Rechtsanwalt telefonieren. Aber das ging ja nicht, denn ich war jetzt er, und ich wollte ganz und gar nicht mit meinem Rechtsanwalt telefonieren. Er wurde weggebracht, und ich zog mir gleich seinen Hausmantel an. Nur die angelutschte Pfeife legte ich im Flur auf eine Kommode, deren Holz so kostbar glänzte, wie ich es noch nie gesehen hatte. Ich wusste erst nicht, wohin, dann entschied ich mich für eine Tür und fand dahinter den Pool. Lichtflecke tanzten an der Decke, und eine blonde Schönheit rekelte sich vollkommen nackt in einem Stuhl.
    «Bring deiner Süßen einen Drink!», flötete sie mir zu. «Ich verdurste schon.»
    «Was immer du möchtest», rief ich, fand die Bar und kippte erst mal selber einen.
    Sie hieß Angélique und sagte, wir würden uns noch nicht lange kennen; sie habe auch kein Problem damit, dass ich aufgrund der Verwechslung jetzt anstelle des anderen hier sei. Gar kein Problem. Sie unterstütze die Maßnahmen der neuen Regierung.
    Ich begann gerade an ihr
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