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Das Verdammte Glueck

Das Verdammte Glueck

Titel: Das Verdammte Glueck
Autoren: Andreas Kurz
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klar, gibt ja auch nur Streit sonst. Da sollen schon viele blöd geguckt haben, wenn sie’s erfahren haben, gab’s ja früher auch alles nicht.
    «Na, Rudi», feixte mich der kleine Jahnschmidt an. Ich ignorierte ihn, wollte mit keinem reden. Das brachte ja auch nichts, jetzt, so kurz vorher. Sicher war es besser, wenn man sich sammelte, die Gedanken zusammenhielt, sie nicht schweifen ließ; wenn man den Blick auf dem Pflaster parkte, die Latschen der anderen betrachtete, als würde man bald einschlafen. Nur nicht den Miezen nachstarren, die natürlich hier rumhingen und mit dem Hintern wackelten, weil sie wussten, dass man es jetzt messen kann und wir alle die größten Probleme kriegen würden.
    Meine Frau schien wild entschlossen. Sie starrte geradeaus wie ein Feldwebel beim Appell und ließ sich nicht beirren.
    «Bin mal gespannt», sagte sie. Es klang wie eine Drohung, und mein Mund wurde trocken. Die Jugendlichen auf ihrer Bank tranken Bier, und manchmal pfiffen sie auf zwei Fingern, weil sie wollten, dass wir zu ihnen hinübersehen. Da standen ihre scharfen Tussis und schoben sich das T-Shirt hoch, nicht viel, nur über den Bauchnabel, wo das Ringlein blitzte. Wir standen Schlange, unsere Frauen am Arm, den Hunderter in der Tasche, und hatten nichts zu trinken dabei, aber 'nen trockenen Hals. Die Jungs lachten uns aus.
    «Ich hol mir 'nen Schluck», sagte ich und deutete auf Kanoppkes Stand. Der machte das Geschäft seines Lebens, aber Regine meinte: «Nicht jetzt!», und hielt mich fest, hatte vielleicht auch so 'ne Ahnung, dass ich bei Kanoppke hängen bleiben könnte. Standen ja schon ein paar herum, deren Frauen nach ihnen riefen, aber sie winkten nur ab: «Ja, ja!».
    Es dauerte ewig, bis wir endlich die Metallleiter hochsteigen durften. Wenn ich ehrlich sein soll, hatte ich dauernd den Nabel von so 'ner Tussi im Kopf. Das Bild hing in mir fest wie bei einem abgestürzten Computer, du kannst auf die Tasten drücken und mit der Maus rutschen, so viel du willst, es passiert nichts mehr.
    «Willkommen», begrüßte uns ein junges Ding im Hosenanzug, aber ihr Gesicht war gelangweilt, wahrscheinlich, weil sie ihr Sprüchlein schon das hundertste Mal herunterbeten musste. Sie gab uns Formulare und bunte Kugelschreiber, die wir behalten durften. An einem Tischchen mussten wir alles ausfüllen, während sie denen vor uns die Blechnäpfe aufsetzten und den schwarzen Vorhang zuzogen, damit man nicht sehen konnte, wie sie ihre Messungen machten.
    «Füll das lieber nicht aus!», sagte ich meiner Regine. «Die schicken uns nur Vertreter, wirst sehen.»
    Aber sie tippte energisch auf den Zettel und sagte: «Keinen Rückzieher jetzt!»
    Also füllte ich alles aus, übertrieb maßlos beim Einkommen, auch bei den Hobbys, schrieb Golf und Polo. Wenn jemand fragte, konnte ich ja sagen, dass ich unsere Autos gemeint hatte.
    Das Paar vor uns war schon am Streiten, als wir hinter den Vorhang gebeten wurden. Hinsetzen, Topf auf, Drähte dran.
    «Tut nicht weh», sagte das Mädchen.
    «Wär ja noch schöner», raunzte ich, «hundert Euro, und dann tät’s auch noch weh.»
    Regine klatschte aufgeregt in die Hände und rief: «Endlich mal was Konkretes.»
    Sie schalteten das Ding ein und wir mussten einander tief in die Augen blicken, so, als würden wir uns gerade ineinander verlieben, sagten sie. Wir sahen uns also an, ich musste lachen, Regine verdrehte die Augen, dann war es auch schon vorbei, und sie nahmen die Töpfe wieder ab.
    «Wehe, wenn du wieder alles vermasselt hast», sagte Regine.
    Der Drucker jammerte seinen Text aufs Papier, das Mädchen riss ab. «Herzlichen Glückwunsch», sagte sie, «3,8 ist ein guter Wert, voll im Durchschnitt.»
    Sie gab uns das Papier, und wir mussten auf der anderen Seite wieder raus. Regine stolperte fast auf der Treppe, weil sie lesen wollte, was da stand. Mir war es eigentlich egal. ‹3,8›, ich fand, das war eine Zahl, mit der man durchaus zufrieden sein konnte. Regine fing an zu jammern, sie habe sich viel mehr vorgestellt, und deutete auf ein Diagramm. Da gab es ein grünes Feld ‹3,5 bis 3,9› – ‹mittelwohlwollende Zuneigung, eine gute Basis›, stand daneben. Sie tippte mit dem Finger darauf und deutete hinüber zum dunkelvioletten Teil ‹wahnsinnige Liebe›, dazwischen gab es noch hellrot, mittelrot, blutrot, weinrot, dunkelrot, violett und was weiß ich.
    «Ist doch nicht schlecht», sagte ich und zog sie mit zu Kanoppke. Der hielt uns schon zwei Gläschen Prosecco
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