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Das Verdammte Glueck

Das Verdammte Glueck

Titel: Das Verdammte Glueck
Autoren: Andreas Kurz
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vollkommen starr, begriff nichts, sah nur ihr Grinsen. Und sie sagte allen Ernstes zu mir: «Er ist Ihnen dankbar, ich weiß es. Sie waren das Geschenk des Himmels, auf das er gewartet hat. Mir hingegen hat er mal einen sehr hässlichen Korb gegeben.»
     
    Lange her. Zwei wird morgen entlassen, der Glückliche – räuberische Erpressung mit Geiselnahme, mehr war es ja nicht bei ihm. Volles Geständnis, gewürzt mit falscher Reue, ich hätte ihn angestiftet und so weiter, das Übliche. Für mich wird es noch dauern. Mein Anwalt sagt, meine Geschichte sei lächerlich, keiner würde mir glauben. Wenn ich weiter darauf bestehe, verspiele ich jede Möglichkeit auf Bewährung. Dann muss ich mindestens zwanzig Jahre abbrummen. Aber was soll ich denn anderes sagen als die Wahrheit? Also schreibe ich Briefe, um irgendetwas zu tun. Der Besen antwortet mir natürlich nicht, dabei dachte ich, es wäre schlau, ihr tüchtig Honig ums Maul zu schmieren, von wegen, ich hätte ich mich in sie verliebt und so. Nicht mal der Verein für Sterbehilfe wollte mich haben, als ich um Mitgliedschaft anfragte. Mein Humor sei von ausgesucht schlechtem Geschmack, schrieben sie mir. Diese Idioten. Die haben ja keine Ahnung, was in der Welt los ist.

Fette Träume
     
    Im Fernsehen kam nichts Gescheites, da schaltete ich aus und öffnete die Wohnungstür: Der Flur war leer, das Notlicht flackerte matt, der Moment schien günstig. Ich schlich nach oben, hinauf zum Dach, wollte meine Träume besuchen, die dort jede Nacht die Sterne betrachten und vor sich hindösen, wie Träume eben so sind.
    «Hey Jungs», sagte ich, «wie geht’s?»
    Meine Träume beachteten mich nicht. Sie sahen hoch zu den Sternen; die waren in dieser Nacht besonders weit weg, kaum zu sehen – das machte es mühsam, zu träumen. Im Dunkeln erkannte ich Claire, sie wohnt einen Stock tiefer. Sie sieht mich nicht an, wenn ich ihr im Flur begegnet, dabei ist sie nicht gerade eine Schönheit, wirklich nicht. Ich schlich zu ihr hinüber.
    «Na, auch Sterne gucken und die Träume besuchen?», sagte ich. Aber dann sah ich, dass sie weinte, und hielt meinen Mund. Die Luft stand still um uns, sie ließ sich kaum atmen, selbst die Stadt weit unten hielt ihr Maul, tobte nicht wie sonst und spielte sich auf.
    Irgendwann hob sie den Kopf und sah mich an.
    «Ich hatte nur einen Traum», sagte sie, «doch ich kann ihn nicht finden. Er ist verschwunden, ich habe ihn wohl zu lange warten lassen.»
    «War er groß?», fragte ich.
    «Riesengroß», meinte sie, «und schön, schön wie die Sterne da oben.»
    Ich sah nach oben, aber die Sterne waren nicht näher gerückt. Vielleicht waren sie ja schön. Ich wollte Claire in den Arm nehmen, aber sie stieß mich weg. Ich bot ihr einen meiner Träume an, aber sie wollte ihn nicht. Er war ihr wohl zu klein, oder sie war zu schüchtern. Ich gebe zu, ich habe eher komische Träume. Einer meiner Träume war außerdem schon uralt. Er war die Verheißung eines Lächelns. So wollte ich gerne einmal angelächelt werden. Was sollte Claire damit? Ich zog mich zurück und hockte noch ein bisschen bei meinen Träumen rum. Sie sind meine Kumpels, und ich mag sie, auch wenn sie nichts Besonderes sind. Nicht sehr niveauvoll, manchmal auch richtig ordinär, aber sie hängen an mir und ich hänge an ihnen, richtige Kumpels eben.
    «Wisst ihr zufällig», fragte ich sie leise, «wo ihr Traum geblieben ist?»
    Da lachten meine Träume. «Oh, Mann, ihr Traum, du liebe Zeit! Der war so dick und so groß, der glaubte, er könnte fliegen. Ist auf der Außenmauer herumstolziert und hat sich für wer weiß was gehalten.»
    «Und dann?» Ich hielt den Atem an.
    «Abgeschmiert ist er über die Brüstung, arschgerade runtergesaust wie ein Pflasterstein. Seitdem haben wir nichts mehr von ihm gehört.»
    Ich stellte mich an die Brüstung, sah hinunter, entdeckte ihn sofort – ein fetter Traum lag auf der Straße, aufgeklatscht und breitgetreten, schwer, groß und schmutzig. Die Autos rollten über ihn drüber, es tat ihren Stoßdämpfern sicher nicht gut. Aber keiner schien ihn zu bemerken, jeder schleppt schließlich sein Päckchen, was interessieren da die Träume der anderen, noch dazu so fette.
    Ich sagte nichts zu Claire, stieg die vielen Stufen hinunter, obwohl sie mich nicht mal ansieht, wenn wir uns im Treppenhaus begegnen und sie auch keine Schönheit ist, eher unauffällig, klein und zierlich, kein Kind mehr und auch noch keine Frau, irgendwo dazwischen hängen
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