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Das Verdammte Glueck

Das Verdammte Glueck

Titel: Das Verdammte Glueck
Autoren: Andreas Kurz
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geblieben, mit stumpfen Augen und voller Trotz. Unten wartete ich auf eine Lücke im Verkehr, dann kratzte ich ihren Traum vom Asphalt. Er war nicht mehr viel wert, das Leben war über ihn hinweggebraust. Da war bald nichts mehr übrig, so was dauerte nicht lang. Er sah nicht gut aus, aber er bedeutete ihr etwas, schließlich saß sie oben auf dem Dach und weinte. Also trug ich den Traum hoch, all die vielen Stufen, ich weiß nicht mal genau, warum ich es tat. Ich ging in meine Bude und brachte den Traum ins Bad. Wasch dich, sagte ich, so erkennt sie dich nicht!
    Doch er starrte mich böse an. «Ich bin etwas Besonderes», grollte er und wusch den Schmutz der Straße ab.
    «Du bist ziemlich aufgeblasen», gab ich zurück.
    Er kletterte aus der Dusche, nahm ohne zu zögern mein Handtuch, wischte ein paar staubige Illusionen hinein und sagte voller unverhohlener Verachtung: «Ich – bin – etwas – Besonderes ... kapiert?»
    Ich nickte. Den Weg nach oben fand er alleine. Ich war erst mal bedient.
    Später schlich ich noch mal aufs Dach. Ich hielt es nicht mehr aus in meiner Bude, außerdem war ich neugierig. Und da saß sie und umarmte ihren dicken Traum. Sie hatte aufgehört zu weinen, immerhin. Mich beachtete sie nicht, überhaupt schien sie nichts und niemanden wahrzunehmen – warum auch, wo ihr doch ihr fetter Traum Komplimente ins Ohr flüsterte. Wahrscheinlich rieb er sich auch an ihr, streichelte sie an den Brüsten und zwischen den Schenkeln, bis sie die Augen verdrehte, die Zeit vergaß und glaubte, die Sterne pflücken zu können.
    Ich stand abseits und scherzte ein wenig mit meinen Träumen. Sie sind nicht groß, nichts Besonderes, ich sagte es ja bereits, aber die Nacht war schön, dort oben, auf dem Dach. Die Hausverwaltung schätzt es nicht sehr, will, dass wir in unseren Buden bleiben, aber was soll sie unternehmen gegen all die vielen Träumer, die es gibt.
    Als der Morgen kam – ich war wohl eingenickt –, wachte ich auf und sah, dass Claire wieder allein war und weinte.
    «Wo ist er hin?», fragte ich sie.
    «Da», sagte sie und deutete auf die Brüstung. «Da!»
    «Wollte er wieder fliegen?»
    Sie sah mich an, als ob ich an allem schuld wäre. «Du weißt es also?»
    «Was?», fragte ich. «Dass er zu schwer ist und niemals fliegen kann, meinst du das?»
    Sie sprang auf, ihre Augen waren nun nicht mehr matt, sondern glänzend vor Wut. «Du Mistkerl mit deinen kleinen, schmierigen Träumen!», schrie sie. «Natürlich kann mein Traum fliegen. Höher und weiter als alle anderen, verstehst du? Höher und weiter! Und als ich eingeschlafen war, muss er sich aufgemacht haben, hinauf zu den Sternen, wohin er mich nicht mitnehmen kann, weil das nur ein Traum kann, und auch nicht jeder. Vor allem deine ewig kichernden, hässlichen Gestalten nicht! Und jetzt hab die Güte und lass mich in Ruhe!»
    Sie drehte sich um und verschwand durch die Tür nach unten. Ich sah über die Brüstung – ihr Traum lag wieder unten auf dem Asphalt und die Autos fuhren drüber. Das war wirklich nicht gut für die Stoßdämpfer. Aber wieder interessierte es niemanden, jeder rumpelte einfach drüber oder latschte drauf, keinen kümmerte es.
    Meine Träume feixten. Nein, sie geben wirklich nicht viel her, da hatte sie schon recht, aber ich kann sie besuchen, wann immer ich will. Sie stehlen sich nicht plötzlich davon, um blödsinnige Sterne zu pflücken, die es vielleicht gar nicht gibt. Ich meine, wer weiß das schon so genau – es ist ein Schimmern am Himmel, mehr nicht, bloß ein mattes Schimmern.

Etwas ändern
     
    Ich wollte endlich etwas ändern in meinem Leben, also ließ ich mir einen Termin geben und stellte mich in die Schlange. Vor mir wartete einer, der sagte, er hat sich überstürzt verliebt, ist sich jetzt aber doch unsicher und deshalb lieber hergekommen. «Ist sicher besser so», sagte ich und nickte ihm aufmunternd zu. Er schien mir etwas verwirrt zu sein. Außerdem hielt er einen Strauß Rosen in der Hand und bot sie keinem an, das Stück für 'nen Fünfer – das war schon merkwürdig, vor allem bei Rosen.
    Schließlich war ich an der Reihe. Die Kleine hinter dem Schreibtisch wurde gerade erst angelernt, und man sollte Verständnis dafür aufbringen, das stand auf einem Schild vorne an der Kante. Ich dachte, warum nicht. Ihre Augen glühten vor Eifer, sie war auch ganz hübsch, jedenfalls hier zwischen den holzbraunen Regalen.
    Ich sagte ihr, dass ich endlich etwas ändern will in meinem Leben, weil es
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