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Das Verdammte Glueck

Das Verdammte Glueck

Titel: Das Verdammte Glueck
Autoren: Andreas Kurz
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er oben dem Chef vorher noch die Meinung geigte, von wegen, er kann sich den Job sonst wo hinstecken und den Mist soll ein anderer machen. Maier schien die vielen Stufen nach oben mehr zu schweben, als zu gehen. Wir konnten ihm kaum folgen. Selbst diejenigen von uns, die samstags im Stadtpark joggten, mit Sonnenbrille und glänzendem Hemd, atmeten bald hörbar.
    Maier wollte nicht ins oberste Stockwerk, er sah nicht mal zur Glastür der Chefetage mit dem respekteinflößenden dunkelblauen Teppich dahinter, auf dem jeder Schritt zu sehen war, wenn man von unten kam und Staub an den Sohlen klebte. Müller strebte weiter, lächelnd, nach oben, zum Dach.
    «Er will sich runterstürzen», keuchte Königsdorfer und zog sich mühsam Stufe um Stufe hinauf.
    Wir erschraken. Ein Selbstmord? Und ausgerechnet Maier? Dieser ruhige Kerl, der ein paar bunte, selbst gebastelte Papierschiffchen auf dem PC stehen hatte, von denen er oft sagte, er wolle sie mal in einem Bach wegschwimmen lassen, und der fest glaubte, sie würden es schaffen bis zum Fluss und zum Meer, ganz bestimmt.
    «Die Tür zum Dach ist immer abgesperrt», sagte Popp, und wir schöpften Hoffnung, es würde alles nicht so schlimm kommen. Wir erreichten die Tür, sie war tatsächlich abgesperrt. Aber Maier stand nicht davor ... und er war uns auch nicht entgegen gekommen. «Hat er denn einen Schlüssel?», fragte die junge Luther, doch sehr wahrscheinlich war das nicht. Als wir wieder umkehrten, sah der Direktor uns hinter der Glastür, zog die Augenbrauen hoch und löste sich aus der Gesprächsrunde, mit der er plaudernd im Flur stand.
    «Betriebsausflug, oder was wird das hier?», fragte er streng, einen Stapel Akten in der Hand. Ich verdrehte den Kopf und las ‹Einsparungspotenziale›.
    «Maier ist weg», sagte Popp, «nach oben zum Dach, durch die geschlossene Tür, ganz rätselhaft.»
    «Wer ist Maier?», fragte der Direktor, der ja kaum einen von uns kannte.
    «Maier ist der mit den bunten Papierschiffchen auf dem PC», sagte Jutta, und der Direktor lächelte, weil sie hübsch war. Königsdorfer zog sich die letzten Stufen zu uns hoch und stöhnte: «Er wird springen, wenn er auf dem Dach ist! Ihr müsst ihn aufhalten, versteht ihr?»
    Wir erschraken zutiefst. Wenn Maier sprang, dann stürzte er an allen Fenstern vorbei auf den Parkplatz, schlug auf, war Brei, und wir, würde man sagen, sind schuld. Oder zumindest hätten wir es melden müssen, vor Wochen schon, dem Betriebspsychologen am besten oder dem Personalchef, damit man Maier entfernte, noch bevor etwas passieren könnte, zu aller Nutzen.
    «Das Dach ist immer abgesperrt», sagte der Direktor, «und die Fenster in den oberen Etagen lassen sich nicht öffnen. Gehen Sie wieder an Ihre Arbeit, und mit Maier, na, da werden wir sehen!»
    Wir schlichen nach unten, aber in unsere Büros gingen wir nicht, sondern weiter hinunter, mal schauen, wo Maier war, ob er schon auf dem Parkplatz lag, die Knochen zerbrochen und der Körper verrenkt, die Augen leer, die Seele weg. Wir schoben die Betriebsausweise in den Automaten, der die Schranke freigab. Sie würden uns unsere Suche nach Maier von der Arbeitszeit abziehen, klar, aber das war es uns wert.
    Draußen nirgends Aufregung, also auch kein heruntergefallener Maier. Wir gingen einmal um das Gebäude, jeder suchte am Boden eine Spur. Wir schauten in die Hecken, die Bäume, auf die parkenden Autos – alles war wie immer.
    «Da, seht nur!», rief Popp und deutete nach oben. Jetzt entdeckten wir ihn. Maier lief mitten am Himmel, schon sehr weit oben, winzig klein. Es war aber Maier, ruhig laufend, auf Wolken und Luft und Träumen.
    «Wie er es nur rausgefunden hat?», fragte Königsdorfer, der immer noch einen roten Kopf hatte vom Treppensteigen.
    «Was?»
    «Na, den Boden, der uns alle trägt, nicht mehr zu berühren.»
    Wir wussten es nicht, keiner wusste es, und Maier verlor sich im Blau des offenen Himmels. Als wir zurückkamen in unser Büro, schrie die Luther und deutete auf Maiers PC. Tatsächlich, die bunten Papierschiffchen waren weg.
    «Sie sind auf ihrem Weg zum Meer», meinte Popp.
    Später musste jeder von uns zum Betriebspsychologen, weil wir ja unsere Tastaturen in die Papierkörbe geworfen hatten und sie es nicht verstehen wollten.

Um Wiederholungen zu vermeiden, habe ich ein paar Stellen umformuliert.
    Sind Stil und Aussage trotzdem gewahrt?
     
     
    Ich streifte durch den Wald und jagte Träume. Alles war still. Ich versuchte, nicht auf
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