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Maschinenmann: Roman (German Edition)

Maschinenmann: Roman (German Edition)

Titel: Maschinenmann: Roman (German Edition)
Autoren: Max Barry
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    Als Junge wollte ich Zug werden. Das Ungewöhnliche daran war mir nicht klar – dass andere Kinder mit einer Eisenbahn spielten, anstatt eine zu sein. Sie hatten Spaß daran, Gleise zu bauen und dafür zu sorgen, dass der Zug nicht aus den Schienen sprang. Und zuzuschauen, wie er durch Tunnels fuhr. So etwas war mir völlig unverständlich. Ich hatte Spaß daran, mir meinen Körper als zweihundert Tonnen unaufhaltsamen Stahl vorzustellen. Mit Kolben, Ventilen und hydraulischen Kompressoren.
    »Du meinst Roboter«, sagte mein bester Freund Jeremy. »Du willst Roboter spielen.« So hatte ich das noch nie betrachtet. Roboter hatten viereckige Augen und Gliedmaßen, die sich ruckartig bewegten. Normalerweise wollten sie die Erde zerstören. Statt eine Sache richtig zu machen, machten sie alles stümperhaft. Reine Mehrzweckgeräte. Ich war kein Fan von Robotern. Sie waren schlechte Maschinen.
    Nach dem Aufwachen griff ich nach meinem Telefon, aber es war nicht da. Blind tastete ich auf dem Nachttisch herum, und meine Finger schoben sich zwischen Romane, die ich nicht mehr las, weil man einfach nicht zurückkonnte, wenn man erst mal mit E-Books angefangen hatte. Kein Telefon. Ich setzte mich auf und schaltete die Lampe an. Ich krabbelte unters Bett, denn möglicherweise war das Handy in der Nacht heruntergefallen und in irgendeinen Winkel geschlittert. Mein Blick war noch ganz verschwommen vom Schlaf, also scharrte ich in hoffnungsvollen Kreisen mit den Armen über den Teppichboden. Staub wurde aufgewirbelt, und ich musste husten. Trotzdem scharrte ich weiter. Dann schoss mir durch den Kopf: Ist jemand bei mir eingebrochen? Nein, ich wäre sicher aufgewacht, wenn jemand versucht hätte, mein Telefon zu klauen. Irgendein Teil von mir hätte es garantiert mitbekommen.
    Ich schlurfte hinüber in die Küche. Miniküche. Meine Wohnung war nicht groß. Aber alles war sauber, weil ich nicht kochte. Hier hätte ich das Telefon sofort entdeckt. Aber es war nicht da. Also spähte ich ins Wohnzimmer. Manchmal saß ich auf dem Sofa und sah fern, während ich mit dem Handy herumspielte. Vielleicht war es zwischen die Polster gerutscht. So tief, dass ich es sich meinem Blick entzog. Ich zitterte, denn ich war nackt. Die Wohnzimmervorhänge waren offen, und das Fenster schaute zur Straße. Die Straße schaute zum Fenster herein. Manchmal kamen Leute mit Hunden und Schulkinder vorbei. Wieder erschauerte ich. Ich musste dringend etwas anziehen. Das Schlafzimmer war keine zwei Meter entfernt. Doch mein Telefon konnte noch näher sein. Direkt vor meiner Nase. Mit den Händen über den Genitalien lief ich durchs Wohnzimmer und zog die Sofapolster hoch. Beim Anblick von schwarzem Plastik machte mein Herz einen Satz, aber es war nur eine Fernbedienung. Auf Händen und Knien fummelte ich unter dem Sofa herum. Mein Hintern kribbelte in den ersten Strahlen der Morgensonne. Hoffentlich war niemand vor dem Fenster.
    Die obere Ebene des Couchtischs war aufgeräumt, aber auf der Zwischenplatte stapelten sich Lexika, die ich seit Google nicht mehr angefasst hatte. Darunter auch ein Telefonbuch. Ausgerechnet. Tausende von Folien aus totem Baum, zusammengepresst als Mahnmal für die Untauglichkeit von Papier als Plattform zur Informationsverbreitung. Kein Telefon. Ich setzte mich auf. Ein Hund bellte. Zum ersten Mal überhaupt wünschte ich mir einen Festnetzanschluss, um mein Telefon anrufen zu können. Ich schielte zur Oberseite des Fernsehers, die leer war. Aber vielleicht hatte ich das Handy dort abgelegt, und es war durch eine geringfügige seismische Aktivität heruntergefallen. Als ich das Zimmer durchquerte, kreuzte mein Blick den einer Joggerin. Ihr Gesicht verzerrte sich. Womöglich die Anstrengung. Hinter dem Fernseher fanden sich alle Anzeichen einer kabelgebundenen Zivilisation, aber kein Telefon. Auch auf der Küchenbank war es nicht. Und noch immer nicht auf dem Nachttisch, auf dem Boden oder an einem der anderen Orte, wo ich bereits nachgeschaut hatte. Meine Zähne klapperten. Ich wusste nicht, wie warm es heute werden würde. Ich hatte zwar einen Laptop, doch er brauchte ewig zum Hochfahren – über eine Minute. Demnach war ich gezwungen, mir ohne Informationen über die Umweltbedingungen Kleider auszusuchen. Der helle Wahnsinn.
    Ich ging erst einmal unter die Dusche. Bei manchen Problemen ist die krampfhafte Jagd nach einer Lösung genau das Verkehrte. Man muss innehalten und sich besinnen. Unter dem Wasserstrahl ließ ich im
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