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Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Titel: Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck
Autoren: Heinrich Steinfest
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    Klirrr!
    Was für ein wunderbarer Abend!
    Und zwar nicht der erste. Daran mußte der Mann, der Georg war, nun denken. Wie viele solcher wunderbaren Abende er bereits hatte verbringen dürfen. Zusammen mit seiner schönen Frau und seiner nicht minder hübschen Tochter. Im gemütlichen und geschmackvollen Eßzimmer seines Hauses, das hoch oben über der Stadt gebaut war, in bester Lage, ohne aber protzig zu wirken.
    Die kleine Villa stammte aus einer Zeit, als an dieser Stelle kaum noch etwas gewesen war, um überhaupt von einer Lage zu sprechen. Das hatte sich geändert. So mancher hätte einen kleinen, versteckten Mord riskiert, um in dieser Gegend an eine Immobilie zu gelangen. Georg aber war ganz ohne Verbrechen ausgekommen, hatte das Haus von seinen Eltern geerbt. Manchmal kam es ihm vor, daß eigentlich alles, was ihn umgab, auch seine Frau, auch seine fünfzehnjährige Tochter, ein Erbe darstellten. Etwas, das er ohne eigenes Zutun, nur dem Zufall einer bestimmten Abstammung verdankend, entgegengenommen hatte. Da es ihm nun mal von Rechts wegen zustand. Aber nur von Rechts wegen. Nichts, was er sich ernsthaft erarbeitet hatte. Nichts, was er wirklich verdiente.
    Und das war nun genau die Frage, die ihm riesengroß, eine dröhnende Blase, durch den Kopf ging: »Habe ich das eigentlich verdient?«
    Georg dachte an all die Männer, die jetzt ebenfalls bei Tisch saßen und denen irgendeine frustrierte, häßliche, breitarschige Nörglerin das Essen vors Gesicht knallte, wenn man diese nie ganz aufgetauten Tiefkühldinger überhaupt als Essen bezeichnen durfte. Dazu kamen dann Kinder, die ständig vom Taschengeld sprachen und gleichzeitig ihre vermasselten Schularbeiten ohne jede Scham zur Unterschrift vorlegten. Als würden nicht sie, sondern der Unterzeichnende Schuld tragen. Und als sei also die Taschengelderhöhung das Bußgeld, das der Erwachsene zu begleichen habe. Dafür, Kinder in die Welt gesetzt zu haben.
    Mia aber, Georgs Tochter, legte niemals vermasselte Schularbeiten vor, immer nur ein »sehr gut«. Und tat dies, ohne jegliches Taschengeldtheater zu vollziehen. Offenkundig war ihr die Banalität solcher Notengebung völlig bewußt. Während es natürlich gar nicht banal war, wenn ein Vater sich so gut wie nie um schulische Angelegenheiten kümmern mußte, immer nur ausgezeichnete Ergebnisse zu quittieren brauchte. Auch in dieser Hinsicht ein unverdientes Erbe antretend.
    Georgs Frau, Viola, kam ebenfalls ohne Theater aus. Ihre Schönheit und Intelligenz, ihr Erfolg im Beruf führten zu einer Zufriedenheit, zu einer Art von Erholtsein, das es ihr ermöglichte, Abend für Abend ein vorzügliches Mahl auf den Tisch zu zaubern, welches nicht im entferntesten daran erinnerte, gerade noch im Schockzustand einer Vertiefkühlung gewesen zu sein. Als taue man ein Mammut auf und damit auch uralte Mikroben und Bazillen. Nein, Viola nahm sich immer noch die Zeit, frische Kräuter zu besorgen, frisches Fleisch und frischen Fisch einzukaufen, zwischen zwei Terminen einen Gemüsemarkt aufzusuchen und den Verkäufern freundlich auf die Finger zu klopfen, wenn sie versuchten, ihr verknautschte Erdbeeren unterzujubeln.
    Ihre Geschäftspartner verstanden Viola nicht. Nun, ihre Geschäftspartner, vor allem die weiblichen unter ihnen, übersahen Violas Glück. Diese anderen Frauen meinten nämlich, daß Erfolg dazu verpflichte, verbissen, gehässig, freudlos und pervers zu sein. Und auf eine nicht näher definierte Weise emanzipiert. Emanzipiert wie versteinerte Eier, die man dann also nicht mehr auszubrüten brauchte.
    Bei aller karrieristischer Bezogenheit – darunter fraglos auch den Freuden, ein paar blöde Männer in die Ecke zu stellen und sie zehnmal den Satz »Ich darf meine Chefin nicht dumm anmachen« aufsagen zu lassen – genoß Viola das Ausleben einer Macht, über die allein kochende Frauen verfügen, gleich ob sie schwerbusige Matronen oder schlanke, feinnervige, funktionslastige Trägerinnen von Sportunterwäsche sind. Wenn sie kochen, richtig kochen, und ihre Männer, alle Männer, wohlweislich aus der Küche verbannen und es nicht zuletzt unterlassen, selbige Männer zum Zwiebelschneiden und Kartoffelputzen abzukommandieren, erhalten sie sich die Kontrolle derer, die füttern, über die, die gefüttert werden. Wenn sie denn wissen, was sie mit diesem Füttern bezwecken wollen.
    Man sollte diesbezüglich die Magie nicht vergessen. Frauen sind geborene Hexen, gleich, was die Aufklärung uns weiszumachen
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