Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Titel: Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck
Autoren: Heinrich Steinfest
Vom Netzwerk:
von Sparsamkeit verwiesen. Und so sehr eine solche Verrücktheit in Viola Stransky auch nistete, war dies etwas, was sie hinter sich zu haben glaubte. Und darum nahm sie den Apfel und warf ihn in den Eimer.
    »Gar kein Problem«, sagte sie in einem bemüht vergnüglichen Ton, obwohl das der erste Apfel ihres Lebens war, den sie so vollständig in den Müll befördert hatte. Als werfe man ein Rotkehlchen einfach ins Klo. Eigentlich schrecklich.
    Viola Stransky verbat sich, weiter darüber nachzudenken, legte die beiden Geschirrtücher sehr ordentlich zum Trocknen auf und wechselte hinüber ins Wohnzimmer, wo sie sich zwischen ihren Mann und ihrem Kind niederließ. In den Fernsehnachrichten war gerade von einer wirtschaftspolitischen Entscheidung die Rede, die aber Viola vollkommen gleichgültig ließ, obgleich sie als Geschäftsfrau in der idealsten Weise davon betroffen war. Sie konnte nicht anders. Sie mußte an den Apfel denken und wie deprimierend es war, daß er nutzlos – allein auf den Schaden reduziert, den er verursacht hatte – in einer Biotonne zu vergammeln begann.
    Georg Stransky hingegen fragte sich, ob man nicht die Polizei hätte rufen sollen. Andererseits wäre er sich lächerlich vorgekommen. Ein Apfel! Auch fürchtete er, daß beim Anblick der hübschen Mia die Polizisten sich dazu verstiegen hätten, die hilflose Brautwerbung eines Verehrers anzunehmen. Obstwurf statt Minnegesang. Oder was Polizeimenschen so einfiel, wenn sie kompliziert dachten. Und daß sie das taten, nämlich kompliziert denken, war ja allgemein bekannt.
    Als Georg drei Stunden später zu seiner Frau ins Bett kam, hatte er die Apfelgeschichte bereits ad acta gelegt. Er drückte einen Kuß auf die Stirn der Schlafenden und betrachtete kurz die schmalen Streifen hereinfallenden Mondlichts, die auf dem Busen Violas eine kleine Graphik abzubilden schienen. Eine rasch ausgeführte Zeichnung, locker und leicht, ein Brustbild, sehr hübsch.
    Georg lächelte in das Dunkel hinein wie ein Kind, das in eine leere Tonne ruft. Dann legte er sich gerade hin, das Laken jedoch bloß über seinen Unterleib ziehend. Er deckte sich selten richtig zu. Das war nie anders gewesen. Rasch schlief er ein.
    Um wenig später wieder geweckt zu werden. Das Telefon läutete. Er griff automatisch nach dem Hörer, halb noch im Schlaf. Weshalb er sich erst zurechtfinden mußte, um die Frage zu bejahen. Die Frage nach seinem Namen. Ob er Georg Stransky sei.
    »Ja, das bin ich. Meine Güte, was wollen Sie denn um diese Zeit?«
    »Haben Sie den Apfel bekommen?« fragte die Frauenstimme.
    Sogleich saß Georg aufrecht im Bett, überzeugte sich, daß seine Frau noch immer schlief, überlegte kurz und fragte dann in leichtem Stotterton: »Was für ein Apfel?«
    »Oh, sehr schön. Hat es also funktioniert. Man weiß ja nie. Manchmal verfehlen die Äpfel ihr Ziel. Obwohl das eigentlich nicht geschehen dürfte. Aber was dürfte nicht alles nicht geschehen.«
    »Wovon in Herrgottsnamen reden Sie eigentlich?« beschwerte sich Georg und kündigte an: »Ich lege jetzt auf.«
    »Komisch, das sagen alle: Ich lege jetzt auf . Nur, daß es dann keiner tut. Die Welt wäre besser, würden alle Leute, die mit dem Auflegen drohen, auch auflegen. Aber so ist die Welt nun mal nicht. Also, Herr Stransky, lassen Sie das bleiben. Ich glaube nicht, daß Bluffen Ihre Stärke ist.«
    »Und was wäre meine Stärke?«
    »Keine Ahnung. Ich bin hier bloß die Telefonistin. Ich weiß nichts über Sie. Das ist nicht mein Job.«
    »Und was ist Ihr Job?«
    »Sie darum bitten, in den Apfel zu beißen. – Ich meine das nicht bildlich. Nein, ich fordere Sie auf, den Apfel, der heute abend durch Ihr Fenster kam, zu verspeisen. Jetzt gleich.«
    »Ach was! Bitten Sie oder fordern Sie?«
    »Genau in dieser Reihenfolge«, sagte die Stimme, die recht genau an jene süßlich-ironischen Stimmen in Science-fiction-Filmen erinnerte, dann, wenn wieder einmal irgendein Depp einen falschen Knopf gedrückt hatte und also aus Lautsprechern der mildtätig vorgetragene Hinweis erklang, daß in soundso viel Minuten das Raumschiff sich selbständig zur Explosion brächte und im übrigen noch ein schöner Tag gewünscht werde. Ja, eine solche Stimme war das. Selbige erklärte nun: »Zuerst bitte ich, dann fordere ich. Ganz nach Plan.«
    »Und was kommt, wenn das Bitten und Fordern nichts nutzt?«
    »Das können Sie sich doch denken.«
    »Dann wird gedroht.«
    »Wir sagen hier ›insistieren‹ dazu. Aber ›drohen‹
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher