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Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Titel: Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck
Autoren: Heinrich Steinfest
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Pferd. Ich weiß, wie das ist. Mädchen sind so. Wahrscheinlich ist es eine genetische Disposition, eine freundliche Krankheit, ein netter Defekt. Was weiß ich? Jedenfalls ist es verrückt, wie sehr Mädchen an diesen Viechern hängen.«
    »Was bringt es Ihnen«, jammerte Georg, »wenn ich diesen Apfel esse? Bin ich Eva?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Was? Ob ich Eva bin?«
    »Was der Apfel bewirkt.«
    »Vielleicht ist er vergiftet, und ich sterbe, wenn ich hineinbeiße.«
    »Dann würde immerhin China Moon überlebt haben. Und auch wenn das bitter für Sie klingen mag, ich denke, Ihre Tochter würde bei aller Vaterliebe sich eher für das Pferd entscheiden. Jedes Mädchen zwischen zehn und siebzehn würde das. Wie gesagt, pure Genetik. Nichts, was einen zu kränken braucht. – Und noch etwas: Ich glaube nicht, daß Sie tot umfallen, wenn Sie in diesen Apfel beißen. Vielleicht fallen Sie um, aber nicht tot.«
    »Reden wir wirklich miteinander?«
    »Ja, das tun wir, Herr Stransky. Es ist kein Traum, wenn Sie das meinen.«
    »Wenn ich nein sage …«
    »Wird China Moon sterben.«
    »Und weiter.«
    »Nichts weiter. Man wird Sie in Frieden lassen. Und Sie werden nie erfahren, worum es eigentlich ging.«
    »Und was geschieht dann mit Ihnen?«
    »Machen Sie sich denn Sorgen um mich?« erkundigte sich die Frau mit der Computerstimme untergehender Raumschiffe.
    »Ich frage ja nur«, meinte Georg abwehrend.
    »Ich kriege einen kleinen Anschiß, weil ich Sie nicht überreden konnte. Das ist es auch schon. Anschisse gehören dazu. Theoretisch.«
    »Und praktisch?«
    »Ich habe noch jeden Kunden überzeugen können. Es ist vielleicht meine Stimme. Männer mögen das.«
    »Was mögen Männer?«
    »Wenn Frauen freundlich mit ihnen sprechen. Die wenigsten kennen das. Und sind dann ganz verblüfft, einmal nicht angeknurrt zu werden. Es überrascht und verwirrt sie.«
    »Bei mir ist das anders. Meine Frau ist ein Schatz.«
    »Stimmt. Wir hatten uns auch kurzzeitig überlegt, Ihnen mit der Ermordung Ihrer Frau zu drohen. Aber ich dachte mir, das Pferd sei das stärkere Argument. Sie lieben Ihre Tochter, nicht Ihre Frau. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich meine in einer natürlichen Art. Das ist etwa so genetisch wie die Pferdeliebe einer Minderjährigen. Dafür müssen Sie sich nicht genieren.«
    »Sie tun so, als würden Sie in meinem Kopf sitzen.«
    »Nichts läge mir ferner. Mir reicht mein eigener Kopf. Aber ein bißchen was weiß ich schon mit meinen siebzig Jahren.«
    »Siebzig?« Georg konnte nicht glauben, daß die Frau, der diese Stimme gehörte, siebzig Jahre zählte. Er würde sie auf dreißig geschätzt haben. Maximal. Doch warum sollte sie lügen? Georg hätte den Sinn einer solchen Lüge nicht zu erkennen vermocht. Er sagte: »Ihr Alter spielt keine Rolle.«
    »Ich sprach von meiner Erfahrung«, erwiderte die Stimme, eine Spur kühler als bislang. Dann aber gleich wieder im gewohnten Zuckerschleckerton fortsetzend: »Haben Sie sich entschieden? Ich würde die Sache jetzt gerne zu einem Ende bringen. Unser Gespräch beginnt abzugleiten. Leider.«
    »Ich sagte schon, daß ich nicht einmal weiß, wo der Apfel ist.«
    Georg stand in der beleuchteten Küche, neben sich das Glas Wein und überblickte mit einer drehenden Kopfbewegung den Raum. Im Stil einer Eule.
    »Ihre Frau ist doch ein ordentlicher Typ, nicht wahr?« meinte die Stimme.
    »Ziemlich«, antwortete Georg.
    »Ein Apfel, der nicht gegessen wird, gehört in den Biomüll. Haben Sie Biomüll?«
    »Ja.«
    »Dann sehen Sie einfach nach.«
    Georg brauchte nur einen Arm auszustrecken und die Türe des Unterschranks zu öffnen, in dessen Innenseite zwei himmelblaue Eimer montiert waren, deren Abdeckungen gleichzeitig und sehr manierlich in die Höhe gingen und den Blick auf ihren Inhalt preisgaben. Rechts der konventionelle Müll, links der alternative. Wie in der Politik, wenn man gerne einfach dachte.
    Georg sah ihn sofort, den mückenblutroten Apfel, der vor dem dunklen Hintergrund von Salatblättern und Kaffeesud den Eindruck ausgestellten Modeschmucks machte. Ein Herz aus gefärbtem Kristall. Kitsch. Wohlgemerkt teurer Kitsch.
    »Sehen Sie ihn?« fragte die Stimme.
    Georg war überzeugt, daß die Frau sehr gut wußte, daß er den Apfel gefunden hatte. Er gab bloß ein Grunzen von sich.
    »Ausgezeichnet«, sagte die siebzigjährige Stimme. »Beißen Sie hinein. Ich kann dann gleich unserem Mann das Okay geben, sich nicht weiter um das Pferd kümmern zu
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