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Das unsichtbare Volk

Das unsichtbare Volk

Titel: Das unsichtbare Volk
Autoren: Diethelm Kaminski
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Wahrheit über Tarzan
     
     
     
    Die Geschichte ist bekannt. Das Baby
eines englischen Lords und seiner Frau, die von Meuterern an der afrikanischen
Küste ausgesetzt wurden, wird nach dem Tode der Eltern von Menschenaffen wie
ihr eigenes aufgezogen. Er bleibt vier Jahrzehnte lang verschollen, bis sich
schließlich das Gerücht verbreitet, Eingeborenen aus dem Stamme der Mangani sei
ein Geist im Dschungel erschienen, eine Mischung aus Affe und Mensch,
hellhäutig, aber ebenso stark behaart wie die Affen, aufrecht gehend, doch
klettergewandt und flink wie sie, aber anbetungswürdig in seiner Kraft und
natürlichen Energie.
    Nachdem die
Gerüchte nicht verstummen, sondern immer neue Geschichten über die wundersamen
Taten des Geistes kursieren, machen sich verschiedene Expeditionen auf, um das
Geheimnis zu lüften. Die Entdeckung eines Mensch-Tiers oder eines Tiermenschen
wäre eine Sensation für die Zeitungen wie für die Wissenschaft. Eine
Geschichte, die sich sehr gut verkaufen ließe. Wie entwickelt sich ein Mensch
unter Urwaldbedingungen? Bleiben menschliche Eigenschaften erhalten, oder wird
er zum Tier in menschenähnlicher Gestalt? Forschernahrung für Jahrzehnte. Man
müsste das Wesen fangen und der Wissenschaft zur Verfügung stellen. Gegen
entsprechende Bezahlung selbstverständlich. Oder noch besser – es in einen
Käfig sperren und einem sensationsgierigen Publikum auf Kirmessen und in
Varietés präsentieren. Nackt natürlich, so wie man es im Dschungel gefunden
hat, auch gegen den Protest der Kirche. Schade nur, dass es ein männliches
Wesen ist. Ein nacktes weibliches würde mehr Besucher anziehen.
Bauchnabellanges blondes Haar, wilde Mähne, ein vom Klettern sehniger Körper –
ein Sinnbild unverfälschter Erotik.
    Nach einigen
Monaten spürt eine deutsche Expedition den Waldmenschen auf. Es ist gar nicht
einfach, ihn von den Menschenaffen zu unterscheiden. Letztlich erkennen sie ihn
nur an seinen Lauten. Ein solch heiseres Krächzen bringt kein Affe hervor. Sie
locken ihn in eine Falle, fangen ihn mit Netzen ein, sperren ihn in einen
Bambuskäfig. Die Enttäuschung ist groß. Statt eines übermächtigen, Furcht
einflößenden Wesens kauert vor ihnen ein zitteriger Greis mit verfilztem weißen
Haar, stinkend, schmutzverkrustet, leise vor sich hingrummelnd. Das Gesicht so
voller Falten, dass es einer verschrumpelten Kartoffel gleicht. Das Schlimmste
aber sind die Zähne, oder besser die wenigen, die dieses Wesen noch besitzt.
Sie sind schwarz, pechschwarz, schwarz wie Teer, abstoßend und hässlich.
    „Teerzahn“,
ruft ein Expeditionsteilnehmer. „Wir nennen ihn Teerzahn, das passt. Jetzt
verstehe ich auch, warum die Affen uns diese Kreatur so kampflos überlassen
haben. Sie waren froh, ihn loszuwerden. Affen lassen ihresgleichen nicht im
Stich, aber wenn ihnen ein Mitglied der Sippe geraubt wird, sind sie von ihrer
Verantwortung entlastet.“
    „Und was
machen wir jetzt mit unserer großartigen Beute?“, fragt ein anderer. „mit
diesem Häufchen Elend ist kein Staat zu machen. Für den zahlt keiner auch nur
einen Pfennig. Und für die Forschung gibt es da auch nichts zu tun. Das sieht
ein Blinder, was aus einem Menschen in einer Affenhorde wird. Um die vierzig
und schon ein Wrack. Am Ende müssen wir noch für seinen Unterhalt und für die
Beerdigungskosten aufkommen. Ich bin dafür, dass wir ihn wieder freilassen.“
    „Aber wir
können doch nicht mit leeren Händen nach Berlin zurückkehren“, protestiert ein
Dritter.
    „Das werden
wir auch nicht“, hat der Expeditionsleiter eine Eingebung. „Wir schnappen uns
eine Mangani, nicht zu jung, nicht zu alt, aber kräftig und üppig, färben ihr
die Haare blond, wälzen sie im Schlamm und geben sie als Teerzahns Frau aus.
Teerzahn sei uns leider entwischt.“
    „Aber sie kann
sprechen. Auch wenn sie eine ganz unbekannte Sprache spricht, wird man jemanden
finden, der sie versteht. Sie wird uns verraten“, wendet einer der Männer ein.
    „Wird sie
nicht“, sagt der Expeditionsleiter und greift nach dem Messer, das seitlich in
einem Futteral an seinem Gürtel hängt. „Und nun lasst Teerzahn laufen. Was? Der
will nicht? Macht ihm Beine. Gebt ihm die Peitsche. Ich kann seinen Anblick
nicht länger ertragen.“
    Er beugt sich
über eine von Hand gezeichnete Kartenskizze. „Wenn mich nicht alles täuscht,
gibt es etwa fünf Meilen von hier eine Lichtung. Das könnte eine Ansiedlung der
Mangani sein. Seid vorsichtig, und haltet die Netze
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