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Das unsichtbare Volk

Das unsichtbare Volk

Titel: Das unsichtbare Volk
Autoren: Diethelm Kaminski
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2009
anfallenden
    Gasbereitstellungskosten.
Frühstück und andere Mahlzeiten werden extra berechnet.“
    „Nun mach
schon, Abraham, sieh zu, wo du den Betrag auftreibst. Ich muss weiter. Ich habe
noch eine ganze Reihe von deiner Sorte auf der Liste, bei denen ich die
Gebühren eintreiben muss. In diesem Jahr habe ich einen schönen Überschuss.
Davon kann ich mir mindestens drei neue Teiche kaufen und mit
Unterwasserheizungen ausstatten lassen. Mich selbst hat die Beheizung des
Teiches, in dem ich wohne, kein einziges Froschei gekostet. Geiz ist geil. Wir
hassen teuer.“

Hexenstolz
     
     
     
    Ich verbitte mir jede Einmischung. Was
fällt denen denn ein. Vierhundert Jahre, und sie geben immer noch keine Ruhe.
Soll denn alles, was ich, um mich als Hexe zu profilieren, Folter und Tod auf
dem Scheiterhaufen, umsonst gewesen sein?
    Stadtrat,
Klerus, Pöbel – alle haben sich anno 1627 in Köln an meinem, wie sie glaubten,
„qualvollen“, für mich aber lustvollen Ende ergötzt und ihre Anschuldigungen,
die zum flammenden Finale meines irdischen Lebens führten, durch die
Jahrhunderte nie auch nur eine Minute angezweifelt. Und auf einmal soll alles
umsonst gewesen sein? Sie wollen mich, Katharina Henoth, geachtete Oberhexe in
der Hexenabteilung der Hölle, allen Ernstes rehabilitieren. Die ahnungslosen
Tröpfe können in ihrem vorgeschobenem Bemühen um späte Gerechtigkeit, hinter
dem in Wirklichkeit nur Wichtigtuerei und Geltungssucht stecken, nicht wissen,
dass ich Hexe von Geburt und Hexe aus Berufung war. Mit dem von mir so
erfolgreich betriebenen Tod auf dem Scheiterhaufen wurde ich sozusagen in den
Adelsstand der Hexengilde erhoben. Ich habe mit dem Flammentod die höchste
Stufe auf unserer Karriereleiter erklommen und genieße seitdem die angenehmsten
Privilegien. Massen von in der Hölle schmorenden bösen und verdorbenen Seelen
stehen mir zu Gebote. Ich dürfte mit ihnen, wenn ich wollte, sogar die Öfen
heizen, aber das tue ich nicht, weil meine empfindlichen Ohren das Gequietsche
ihrer Stimmen im Feuerofen nicht vertragen.
    In meinem
Stand verkehre ich nur mit den Oberteufeln. Die Unterteufel und Hilfsteufelchen
haben ehrfürchtig Abstand zu halten und auf meine Befehle zu warten. Eine
Rehabilitierung würde all das zunichtemachen. Mein guter Ruf wäre dahin, am
Ende stände ich noch als Verräterin da, die im Bund mit der Kirche steht und
sich als Spionin in die Hölle eingeschlichen hat, um gefallene Seelen zur
Umkehr zu bewegen. Nun stehen zum Glück menschliche Dummheit und Arroganz gegen
höllische List und Schläue. Wie einfältig die Oberirdischen in der Domstadt
sind, zeigt sich daran, dass sie sogar eine Schule nach mir benannt und bis
heute nicht begriffen haben, dass sie mit diesem „Vertrauensbeweis“ Hunderte
von zarten Kinderseelen meiner Obhut unterstellt haben. Gut so! Die Hölle
braucht Nachwuchs. Insbesondere die Hexenabteilung leidet nach der voreiligen
Abschaffung der Scheiterhaufen unter dem Mangel an qualifiziertem Nachwuchs.
Ich pflanze unermüdlich niederträchtige Gedanken in die empfänglichen jungen
Seelen, unterrichte sie in den Unterrichtspausen in übler Nachrede, Zwietracht,
Leistungsverweigerung, Aufsässigkeit und Amoklauf.
    Der
Höllenfürst höchstpersönlich hat mir eine Audienz gewährt und im Beisein der
neidisch blickenden Oberteufel und Hexenkolleginnen meine Verdienste um den
Fortbestand der Hölle gewürdigt.
    Was ist zu
tun? Ich darf es nicht zulassen, dass verlogener Übereifer meinen Ruf
zunichtemacht. Auch Hexen haben ein Berufsethos, so etwas wie Hexenstolz. Ich
darf dem hässlichen Treiben nicht länger untätig zuschauen. Ich werde meine
Unterteufel und -hexen zu einer Krisensitzung einberufen und einen Plan
ausarbeiten lassen, um meine falschen Freunde ein für alle Mal zum Verstummen
zu bringen. Die fanatischen Kölner Hexenrehabilitierer dürfen mir keinen
Schaden zufügen. Ich muss ein deutliches Zeichen setzen. Und wenn ich meine
Widersacher allesamt in die Hölle schicke.
    Und jetzt
möchte ich noch ein Stündchen ruhen und vom schönsten Augenblick meines
Hexendaseins träumen: Diese köstlichen Minuten damals, als die Flammen des
Scheiterhaufens loderten, als der Pöbel johlte und jubelte und ich wusste: Es ist
geschafft. Das höchste Ziel erreicht. Ich hatte mich nicht verrechnet. Die
Teufel und Hexen der Hölle haben mich seitdem bewundert und mir tiefen Respekt
gezollt. Das so mühsam Errungene gilt es mit allen Mitteln zu verteidigen.

Die
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