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Das unsichtbare Volk

Das unsichtbare Volk

Titel: Das unsichtbare Volk
Autoren: Diethelm Kaminski
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hätte das auch nichts. Denn ein König kann keinen anderen König neben
sich dulden.“
    „Und woran
erkennt man den König der Regenwürmer?“, fragte Irmi.
    „Äußerlich gar
nicht, außer dass er vielleicht besonders dick ist, weil ihn seine Untertanen
so gut füttern. Erkennen kann man ihn eigentlich nur an seiner besonders
vornehmen Sprache. Er drückt sich sehr gebildet aus, mit Fremdwörtern und so.
Das war auch der Grund, warum ihn der König der Tiere, der Löwe, nicht gleich
verstanden hat.“
    „Und was hat
er gesagt?“, wollte Ole wissen.
    „Zunächst
sagte er nur höflich auf Lateinisch zum König der Löwen: „Quo vadis, domine?“,
was so viel heißt wie: „Wohin gehst du, Herr?“, aber der muss das irgendwie
falsch ins Ohr gekriegt und gedacht haben, der Regenwurm wolle ihn beschimpfen.
Und da brüllte er, dass der Urwald erzitterte und die Affen auf die Bäume
sprangen: „Du schleimiges Etwas entweihst meinen heiligen Boden. Ich trete dich
zu Brei.“
    „Und was
machte der Regenwurm?“
    „Der konnte
darüber nur lachen“, denn kaum hatte der König der Tiere, der Löwe, seine
gewaltige Pranke erhoben, war der König der Regenwürmer schon unter der Erde
verschwunden.
    „Ich habe auch
meinen Stolz“, sagte sich der Regenwurmkönig. „Ich lasse mir von niemandem
drohen, auch nicht vom König der Tiere, dem Löwen. Dem werden wir mal zeigen,
was eine Harke ist!“
    „Gibt es im
Urwald Harken?“, unterbrach Irmi ihren Opa, der sich so richtig in Fahrt
geredet hatte.
    „Natürlich
nicht, niemand weiß, was der Regenwurmkönig genau gesagt hat, ich meine das mit
der Harke ja nur sinngemäß. Er wollte dem Löwen halt zeigen, dass er sich
nichts von ihm gefallen ließ“, versuchte Großvater sich rauszureden.
    „Und wie hat
der Regenwurmkönig den Löwen aus dem Urwald vertrieben?“, konnte Ole nicht
abwarten.
    „Nicht er,
sie.“
    „Sie?“
platzten die Kinder vor Neugier.
    „Noch in
selbiger Stunde alarmierte der Regenwurmkönig seine Untertanen, alle
Regenwürmer des Urwalds, immerhin fünfhunderttausend auf einen
Quadratkilometer, und die Maden, Spinnen, Käfer und andere Kleinstlebewesen
schlossen sich auch gleich an, und alle waren sauer, weil der König der Tiere,
der Löwe, den Regenwurmkönig beleidigt und bedroht hatte.“
    „Bin ich auch
ein Kleinstlebewesen?“, wollte Irmi nun wissen.
    „Das könnte
man so sagen“, entgegnete Großvater, „und ein besonders wissbegieriges dazu.“
Dann fuhr er fort mit der Erzählung:
    „„Für solche
eingebildeten Pinsel ist kein Platz in unserem schönen Urwald“, rief der
Regenwurmkönig. Der muss verschwinden. Sofort.““
    Und sie
stimmten ein Höllenkonzert von wüsten Beschimpfungen an, dass dem Löwen die
Ohren dröhnten.
    „Was haben sie
gerufen?“ wollten die Kinder wissen, aber Großvater ließ sich nicht erweichen.
„Ganz schlimme Wörter, nichts für Kinder unter sechs Jahren. Der Löwe lief, was
er laufen konnte, um dem Höllenlärm zu entkommen, aber da konnte er lange
laufen.“
    „Wie lange,
Opa?“, insistierte Irmi.
    „Ich will
nicht lügen, aber drei bis vier Monate bestimmt. Bis er endlich in ein Gebiet
kam, in dem es keine Regenwürmer gibt. Und da war es auf einmal so still, dass
der König der Tiere, der Löwe, nach langer Zeit endlich wieder richtig schlafen
konnte.“
    „Und warum
gibt es dort keine Regenwürmer?“, fragte Ole.
    „Weil es zu
trocken ist, und Regenwürmer brauchen nun einmal Feuchtigkeit. Der Löwe war in
einer großen Wüste angekommen. Und dort lebt er noch heute. Kein Schatten,
wenige Verstecke, sengende Sonne, und Fleisch ist dort auch viel schwerer zu
kriegen, sodass selbst der Löwe, der König der Tiere, oft hungrig schlafen
gehen muss.“
    „Wie wir“,
sagte Irmi, aber diese Bemerkung kam gar nicht gut an bei Großvater. „Ihr habt
euch schon die Zähne geputzt. Ihr habt doch erst vor einer halben Stunde
Abendbrot gegessen. Jetzt gibt es nichts mehr zu futtern. Auch keine
Schokolade. Jetzt wird geschlafen. Gute Nacht und träumt was Schönes.“
    „Von
Regenwürmern?“, murmelten Irmi und Ole, aber da waren sie fast schon
eingeschlafen.

Automatenkönig
     
     
     
    Jakob trauerte seinen letzten Münzen
nach, die er gerade in einer Automatenhalle verspielt hatte. Spielautomaten
waren seine Leidenschaft, seine einzige. Seit seiner Kindheit war er diesen
grellbunten ratternden klingelnden blinkenden Geldräubern verfallen. Ein
Vermögen hatte er ihnen, rechnete er
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