Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das unsichtbare Volk

Das unsichtbare Volk

Titel: Das unsichtbare Volk
Autoren: Diethelm Kaminski
Vom Netzwerk:
ersten flüchtigen Bad im Vulkansee sich als
schneeweiß herausstellte im Gegensatz zu den von der Sonne dunkelbraun
gebrannten Amazonenkriegerinnen. Die Fremde sprach eine Sprache, die die
Amazonen noch nie gehört hatten. Eine Verständigung war nur über Zeichen
möglich, doch die reichten nicht aus, herauszufinden, woher die Fremde stammte
und wie sie an den Vulkansee gelangt war. Sie machten ihr verständlich, dass
sie bei ihnen bleiben könne, wenn sie wolle.
    Sie statteten
Amaschwa mit einem lammfrommen Pferd aus, um ihr Stürze beim Reiten zu ersparen
und lehrten sie mit Pfeil und Bogen zu schießen.
    Wie sich die
Amazonen die Zeit vertrieben, blieb Amaschwa nicht verborgen, war sie doch den
ganzen Tag mitten unter ihnen. Sie ritten von Tal zu Tal, immer auf der Jagd
nach Männern. Die meisten von ihnen töteten sie mit einem Pfeil in Hals oder
Brust. Das hatten sie bisher noch nicht von Amaschwa verlangt, doch würde der
Tag unweigerlich kommen, an dem sie mit dem ersten Todesschuss für immer in die
Gemeinschaft der Amazonen aufgenommen werden würde. Mädchen und Frauen, sofern
sie nicht zu jung oder alt waren, wurden als Sklavinnen mitgeführt. Und auch
ein paar Männer nahmen sie jedes Mal mit, um sich nachts die Zeit mit ihnen zu
vertreiben. Am Morgen danach banden sie sie als Zielscheibe für ihre
Schießübungen an Bäume. Es war bei Todesstrafe verboten, einen Mann länger als
24 Stunden am Leben zu lassen.
    Am Ende des
nächsten Ausritts schoben die Amazone Amaschwa einen jungen, nur mit einem
Lendenschurz bekleideten Mann zu, dem sie die Hände auf den Rücken gefesselt
hatten. Sie bedeuteten ihr mit den Fingern: 24 Stunden, keine Stunde länger,
und dann … Eine Amazone spannte den Bogen und legte auf den Gefangenen an.
    Amaschwas
Entschluss stand fest. Nach Mitternacht, als alle schliefen, löste sie die
Fesseln des jungen Mannes, und sie schlichen sich mit zwei Pferden aus dem
Lager. Sie ritten zwei Nächte und einen Tag, bis die glaubten, vor Verfolgung
sicher zu sein. Keiner von ihnen wusste, wohin sie reiten sollten, keiner von
ihnen wusste, wo sie waren. So blieben sie endlich in einem fruchtbaren Tal und
bauten in der Nähe eines Flusses eine Hütte.
    Er lernte ihre
Sprache, sie die seine, die sich mit den Jahren zu einer vermischten. Sie
bekamen Kinder und begründeten so, was sie allerdings noch nicht wissen
konnten, die spätere Dynastie der Amaschwiden, die viele Jahrhunderte lang in
blutige Kämpfe mit den Amazonen verwickelt war, die sie nach vielen Opfern für
immer besiegten.
    Amaschwa
hatte, ohne sich je Rechenschaft darüber abgelegt zu haben, den Beweis dafür
erbracht, dass Milde und Mitleid Hass und Mordgier überdauern.

Mitten ins Herz
     
     
     
    Prinzessin Lustige Wolke hatte den
Unmut ihres Vaters, des Großkhans der Obruken, erregt.
    Ihre neun
Schwestern waren spätestens mit dem dreizehnten Lebensjahr verheiratet gewesen,
nur Lustige Wolke nicht. Sie näherte sich bereits dem 16. Geburtstag und hatte
bisher alle Bewerber abgewiesen.
    „Damit ist
Schluss“, tobte ihr Erzeuger, „du liegst uns nicht länger auf der Tasche. Jetzt
machen wir Nägel mit Köpfen. Ich gebe dir eine letzte Chance, eine großzügige
Chance, die eines Großkhans würdig ist. Wenn du sie nicht nutzt, schicke ich
dich in die Verbannung, aber ohne königliche Apanage. Dann kannst du sehen, wie
du zurechtkommst.“
    Solche
Drohungen kannte Fliegende Wolke zur Genüge. Die hatten sie noch nie
beeindruckt. Sie vertraute auf ihren Status als jüngste und von allen
verhätschelte Lieblingstochter.
    Ihr Vater ließ
von zwei Dienerinnen ein kostbares blaues Schränkchen mit vergoldeten
Schubladen und Griffen in den Thronsaal tragen. Selbst Lustige Wolke war von
dem vermeintlichen Stimmungsumschwung des Vaters überrascht. „Ein Geschenk für
mich?“
    „Schweig.
Jetzt rede ich. In den zwanzig Schubladen des Schränkchens liegen die Namen von
zwanzig Prinzen, die um deine Hand anhalten. Wenn du unter diesen zwanzig
wiederum keinen findest, der dir zusagt, dann ist Schluss mit lustig. Schon
diesmal war es schwierig genug, überhaupt noch Prinzen aufzutreiben, die für
einen verwöhnten Balg wie dich den Kopf riskieren.“
    Lustige Wolke,
für die alles, auch Heiraten, nur Spaß und Spiel war, dachte eine Weile nach
und sprach: „Zu einfach möchte ich´s denen aber nicht machen. Wer mich erringen
will, der muss mich erst verdienen. Ich möchte einen klugen Mann. Ich denke mir
eine Aufgabe aus, die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher