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Das unsichtbare Volk

Das unsichtbare Volk

Titel: Das unsichtbare Volk
Autoren: Diethelm Kaminski
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Hausgeister
     
     
     
    Hausgeister
haben bei mir angeklopft. Man sieht sie nicht. Man hört nur ihre piepsigen
Stimmchen. Man muss schon sehr genau hinhören, um sie zu verstehen.
     „Ich bin der
Sprecher meiner Sippe, der Älteste. Uns ist zu Ohren gekommen, dass du bisher
keine Hausgeister beschäftigst. Und da möchten wir anfragen, ob du vielleicht
Verwendung für uns hast.“
     „Nein“, sage
ich brüsk. „Fremde Hilfe in Haus und Küche habe ich noch nie gebraucht und
brauche ich auch in Zukunft nicht.“
    „Das ist nicht
gut“, sagt der Älteste.
    „Und warum
nicht?“, will ich wissen.
     „Weil du dir
selber schadest. Wir könnten dir das Leben mächtig erleichtern. Und wir kosten
fast nichts. Ein paar kleine Geschenke hier und da, und täglich frische Blumen
und frisches Gemüse und Obst. Nichts weiter. Ach ja, und garantierte
Arbeitspausen zwischen 12.00 und 16.00 und 21.00 und 9.00 Uhr. Das
schreibt die Hausgeister-Gewerkschaft so vor.“
     „Da seid ihr
ja überaus fleißig“, kann ich mir nicht verkneifen zu sagen.
    „Wir arbeiten
halt schnell und effektiv und haben eine hoch differenzierte Arbeitsteilung,
wenn du verstehst, was ich meine. Ich bin der Koordinator.“
    „Wie viele
seid ihr denn überhaupt?“
    „Zwölf.“
    Das verschlägt
mir die Sprache. „Zwölf? Ja soll ich Tag und Nacht euer Gewusel um mich herum
ertragen?“
    „Wir wuseln
nicht. Wir arbeiten. Lautlos und unsichtbar.“
    „Und wo wollt
ihr schlafen?“
    „Das lass nur
unsere Sorge sein. Wir suchen uns schon ein warmes Schlafplätzchen, wo wir dich
nicht stören.“
    Ich überlege
lange. Probieren könnte ich´s ja mal. „Eine Woche auf Probe. Aber das eine sage
ich euch gleich: Wenn ihr nicht spurt, setz ich euch wieder vor die Tür.“
    Dass das ein
Fehler war, merke ich sehr bald. Die kleinen Kobolde sind überall: Sie fressen
mein Obst an, benagen mein Gemüse, und nicht nur das, das ich ihnen jeden Tag
auf den kleinen Hausaltar stelle, den ich in der Diele aufgebaut habe. Sie
zerbrechen Geschirr, verstellen die Fernsehprogramme, löschen Daten auf meinem
Computer, verschleppen wichtige Dokumente …
     „Was arbeitet
ihr eigentlich, verdammt noch mal?“, stelle ich den Ältesten, den ich faul auf
der Couch lümmelnd vermute, nach fünf Tagen zur Rede. „Das sehe ich mir nicht länger
an.“
     „Du hältst
dich nicht an die Abmachungen. Wir vermissen Geschenke. Das schäbige Unkraut
nennst du Blumen? Und gespritztes Obst und Gemüse mutest du uns zu. Willst du
uns vergiften?“
    Ich besorge
Blumen aus dem teuersten Flora-Laden und unbehandeltes Obst und Gemüse aus
einem Bio-Geschäft, aber eine Besserung tritt nicht ein.
    „Du hast die
garantierten Ruhepausen nicht eingehalten“, hält mir der Älteste prompt vor.
    „Jetzt
reicht´s. Ich schmeiße euch Faulpelze raus.“
    „Na bitte“,
antwortet der Älteste frech. „Worauf wartest du? Du brauchst uns doch nur
einzusammeln.“
    Ich muss mich
mit den Hausgeistern arrangieren. So geht es jedenfalls nicht weiter. Sie
tanzen mir nun schon seit sechs Monaten auf der Nase herum, kosten mich eine
Stange Geld und lassen sich nicht mal als Haushaltshilfen steuerlich absetzen.
Im schlimmsten Fall muss ich meine Wohnung aufgeben. Und was ist, wenn sie sich
längst in meinen Taschen eingenistet oder sich an meine Hosenbeine geheftet
haben?

König der Regenwürmer
     
     
     
    „Zu Anfang aller Zeiten lebte der
König der Tiere, der Löwe, nicht wie heute in der Wüste, sondern im Urwald.
Dort lebte er wie im Paradies. Schatten, Verstecke, Fleisch, soviel er wollte,
da brauchte er nicht lange zu suchen, nur seinen Rachen aufzusperren. Aber das
hat er sich selber verdorben.“
    Großvater
erzählte den gespannt lauschenden Enkeln Ole und Irmi die abendliche
Gutenachtgeschichte. Von Löwen und anderem Großwild waren sie mit ihren vier
und fünf Jahren besonders fasziniert.
    „Erzähl, Opa,
schlaf nicht wieder ein. Wie geht die Geschichte weiter? Warum durfte er nicht
im Dschungel bleiben?“
    „Weil er sich
dummerweise mit einem Regenwurm angelegt hat.“
    „Mit einem
Regenwurm?“, fragte Ole ungläubig.
    „Jawohl, mit
einem Regenwurm“, sagte Großvater, der sich jetzt schnell eine glaubwürdige
Fortsetzung der Geschichte einfallen lassen musste. „Nicht mit einem beliebigen
Regenwurm, sondern mit dem König der Regenwürmer. Auch Regenwürmer haben
nämlich einen König. Aber das konnte der Löwenkönig natürlich nicht wissen. Und
geändert
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