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Das unsichtbare Volk

Das unsichtbare Volk

Titel: Das unsichtbare Volk
Autoren: Diethelm Kaminski
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seine Verluste in all den Jahren zusammen,
in die gefräßigen Mäuler gestopft. Er verfluchte sie und konnte doch nicht
ablassen von ihnen.
    „Man müsste
ein System ersinnen, das jeden Automaten bis auf den letzten Cent abräumt. Und
dann ständig ein paar Plastiktüten dabei haben, um die ausgeworfenen Geldstücke
nach Hause zu tragen. Das musste ein Gefühl sein – wie ein König. Und dann zu
Hause die Münzen auf dem Tisch ausschütten, sortieren, zählen … Und nach
dem Essen wieder losziehen in eine andere Automatenhalle – Jakob kannte sie
alle in der Stadt – und Nachschub holen.
    Eine alte Frau
setzte sich zu ihm an den schmierigen Tisch. Jakob schreckte aus seinen Träumen
auf. „Hallo“, sprach sie ihn an, „so niedergeschlagen, hast du mal wieder alles
verspielt und nichts mehr auf der hohen Kante? Und der Erste ist erst in zwei
Wochen. Aber Kopf hoch, es geht wieder aufwärts. Aber das hängt auch von dir
ab. Nutze deine Chance. Machs gut.“ Und schon stand sie auf und humpelte aus
dem schummerigen Licht der Automatenhalle ins helle Sonnenlicht. Einen
Augenblick lang war ihre schwarze Silhouette in der Türöffnung zu sehen. „Alte
Hexe“, dachte Jakob grimmig. Auch er wollte sich erheben, da bemerkte er, dass
die alte Frau eine Münzrolle auf dem Tisch zurückgelassen hatte. Jakob riss das
Papier gierig auf und zählte. 25 Fünfzigcentstücke. Neues Spielkapital. Und
schon stopfte Jakob die Münzen in die Taschen und eilte zum nächstgelegenen
Automaten, um ihn zu füttern. Der Automat blinkte, polterte, klingelte, dann
ein kurzes Zögern, und schon rauschte ein Strom von Münzen in die Geldschale
unter dem Automaten. Jakob raffte die Münzen zusammen, ohne sie zu zählen. Und
ging zum nächsten Automaten, an dem er das gleiche Glück hatte. Plastiktüten
hatte er nicht dabei. Deshalb unterbrach er seine Glückssträhne, um die
gewonnenen Münzen erst einmal nach Hause zu tragen und sich mit Tragetaschen
auszustatten.
    Der Tag
verging mit dem Abräumen von Automaten, dem Abtransport der Beute, mit
Sortieren und Zählen. Nachdem die anfängliche Euphorie verflogen war, ging ihm
auf, wie mühselig das alles war. Er musste die Münzen ja auch wieder zu Rollen
zusammenfügen und auf die Bank tragen. Er war doch nicht Dagobert Duck, der in
Geld baden wollte. Und wie würde man ihn auf der Bank anschauen, wenn er mit
Unmengen von Münzen ankäme? Auch in den Automatenhallen begann man auf ihn
aufmerksam zu werden. In einer erteilte ihm der Betreiber Hausverbot, indem er
behauptete, Jakob sei ein Betrüger und manipuliere die Automaten.
    Jakob begann
sich Vorwürfe zu machen. Immer diese falsche Bescheidenheit. Hätte er sich doch
nur, als die Alte zu ihm an den Tisch gekommen war, gewünscht, den Jackpot zu
knacken. Wie viel Arbeit und Ärger wären ihm erspart geblieben.
    Am ärgsten
aber war, dass Jakob jede Freude am Automatenspiel verloren hatte. Er warf eine
Münze ein, ein paar Minuten später spuckte der Automat den Gewinn aus, den
Jakob einsackte und nach Hause trug. Keine Spannung, nicht der geringste Kick.
Einfach langweilig. Und mit dem gewonnenen Geld wusste Jakob eigentlich auch
nichts anzufangen, denn Spielen war seine einzige Leidenschaft.
    Als er so in
Gedanken versunken durch die Stadt ging, zupfte ihn jemand am Ärmel.
    Jakob erkannte
die alte Frau. „Hallo, Automatenkönig“, sagte sie, „zufrieden siehst du nicht
gerade aus. War wohl doch nicht der richtige Wunsch, oder? Aber einen zweiten
kann ich dir leider nicht gewähren. Ich habe noch viele Menschen auf der
Warteliste.“
    „Ich glaub, es
ist genug. Du kannst es wieder stoppen“, sagte Jakob.
    „Nun“, sagte
die Alte, „das dürfte zu machen sein, denn dieser Wunsch nimmt anderen nichts
weg.“

Der neue Mieter
     
     
     
    Da brauche ich mir nichts vorzumachen.
Mein Leben hat sich in jeder Hinsicht verschlechtert. Viele Jahre lang habe ich
als Anlageberaterin bestens verdient und meinen arbeitsscheuen Mann mit
durchgefüttert, ohne überhaupt zu bemerken, dass er mich die ganze Zeit nur
ausgenutzt hat. Kaum war ich arbeitslos geworden, so- dass bei mir nichts mehr
zu holen war, ließ mein Mann mich, ohne sich abzumelden, mit meinen drei
Töchtern, einem Berg Schulden, die er hinter meinem Rücken gemacht hatte, und
ein paar verblassten Erinnerungen an bessere Zeiten einfach sitzen. Mit dem kargen
Arbeitslosengeld und dem Kindergeld war das bisherige Leben nicht fortzusetzen.
Umzug in eine möglichst billige
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